VfB Stuttgart

Verlängerung mit Leo Neugebauer: Der „König der Athleten“ als VfB-Leuchtturm

Fußball VfB Stuttgart vs. FC  Bayern München
Zehnkampf-Weltmeister Leo Neugebauer bleibt dem VfB treu – und setzt mit seiner Vertragsverlängerung ein starkes Signal. © Julia Rahn

Stuttgart. Es war einer dieser Momente, in denen ein Fußballstadion für ein paar Minuten die Sportart wechselt. Noch ehe der FC Bayern den VfB Stuttgart auseinandernehmen konnte, gehörte die große Bühne einem Athleten, der im Grunde immer das tut, was die VfB-Profis an diesem Abend vermissen ließen: alle Disziplinen beherrschen. Leo Neugebauer, Weltmeister im Zehnkampf, Vize-Olympiasieger, Rekordhalter, hat seinen Vertrag beim VfB verlängert – und dem Verein damit einen seltenen Glücksmoment inmitten eines ernüchternden Spieltags beschert.

Als Leo Neugebauer vor dem Anpfiff zum Talk mit Stadionsprecher Holger Laser über den Rasen ging, war die Cannstatter Fußballwelt jedenfalls noch einigermaßen in Ordnung. Die 60.000 im Stadion hatten gerade die Sitzkissen sortiert, der Rasen glänzte im Winterlicht – und der Weltmeister lächelte wie jemand, dem das Leben derzeit sehr gesonnen ist. Wenig später fegten die Bayern mit einer fünf Tore breiten Münchner Windhose über den VfB hinweg. Und so geriet fast unter die Räder einer denkwürdigen Fußballstunde, was dem Gesamtverein vermutlich viel wichtiger war als ein alltägliches Bundesligaspiel: Der VfB hat den „König der Athleten“ langfristig an sich gebunden. Leo Neugebauer hat seinen Vertrag in der Leichtathletik-Abteilung verlängert. Ein Coup, wie Präsident Dietmar Allgaier mit hörbarem Stolz verkündete: „ Das ist ein wichtiges Signal für unseren Verein und die Wahrnehmung des VfB als Aushängeschild der Spitzen-Leichtathletik in Süddeutschland.“

Leo Neugebauer und der VfB Stuttgart: Ein Weltmeister bleibt zu Hause

Für den VfB ist das mehr als ein hübscher Nebensatz im Schatten des Profifußballs. Neugebauer, seit 2023 im Brustring, bleibt „ein Stück Heimat“, wie er sagt. Heimat: Die schlichte Vokabel wirkt seltsam unzeitgemäß in einer globalisierten Sportwelt, in der Athleten aushäusig werden, sobald irgendwo ein besserer Kraftraum lockt. Doch bei Neugebauer passt sie. Aufgewachsen in Leinfelden-Echterdingen, in Görlitz geboren, in Austin zum Zehnkämpfer von Weltklasseformat gereift – und trotzdem einer, der spürt, dass der VfB ihm wichtig ist.

„Es ist für mich etwas ganz Besonderes, weiterhin ein Teil der VfB-Familie zu sein“, sagte er. Und man glaubte es ihm. Zumal die Fans es ihm wiederum glaubhaft zeigen: Nach seinem WM-Titel in Tokio hatten sie in der Cannstatter Kurve ein Banner hochgezogen. Eine Geste, die Neugebauer noch heute berührt. Und für die er nun mit Verlängerung, Worten und einem Lächeln zurückzahlt.

Dass der Verein die Gelegenheit nutzte, ihm die Verdienstmedaille in Gold mit Rubin umzuhängen – die höchste Auszeichnung, die der VfB zu vergeben hat –, fügte sich in diese kleine Feststunde ein. Auf dem Rasen stand ein Mann, der im vergangenen Sommer die Nation in Paris mit Silber überraschte, der in Tokio 2025 Weltmeister wurde und der im Jahr zuvor in Eugene den deutschen Rekord auf 8.961 Punkte nach oben schraubte. Ein Athlet, der die Bowerman Trophy gewann, die US-Auszeichnung für den besten College-Athleten, und der im „Track & Field“-Team der Texas Longhorns eine ganze Szene auf links drehte.

Der Botschafter im Brustring

Für Präsident Allgaier ist Neugebauer längst mehr als ein durchtrainierter Aushängesportler: „Ein Botschafter unserer Farben auf der ganzen Welt“, nennt er ihn. Ein Leuchtturm für den Traditionsverein. Und einer, dessen Bekenntnis zum VfB ein „wichtiges Signal“ sei – für den Verein, für die Region, für die Wahrnehmung der Stuttgarter Leichtathletik überhaupt. In einer Sportart, die medial meist nur alle vier Jahre großflächig auftritt, hilft es ungemein, wenn der größte deutsche Zehnkämpfer seit Frank Busemann im schwäbischen Trikot antritt. Zum Vergleich: Auf Instagram hat „ @leothegerman “ alleine 588.000 Follower - der VfB-Gesamtverein 716.000. (Stand: 08.12.)

Neugebauer selbst erzählt im Interview mit den vereinseigenen Kanälen von einem Trainingslager in Südafrika, seiner ersten Reise dorthin, einer „richtig coolen Erfahrung“ in der Offseason. Er erzählt von Terminen, die sich seit den Erfolgen mehren, vom Erwartungsdruck, mit dem er inzwischen umzugehen gelernt hat. Und er erzählt von Sandrina Sprengel, die gemeinsam mit ihm für den VfB startet und die er für ihre WM-Premiere in Tokio feiert: „Total verrückt und großartig“, sagt er über ihren fünften Platz.

Fernziel Los Angeles 2028: „Da wird voll angegriffen“

2026 wird er zur Europameisterschaft nach Birmingham reisen, ein Termin, den der neue alte VfB-Athlet als nächsten Fixpunkt in den Kalender eingetragen hat. Zuvor wartet ein Jahr mit Aufbautraining, Zwischenhöhepunkten und der ewigen Frage, ob man sich in dieser Königsdisziplin noch einmal verbessern kann. „Die WM-Goldmedaille macht Lust auf mehr“, sagte Leo Neugebauer im Gespräch direkt vor der Cannstatter Kurve, „mein Fernziel ist Los Angeles 2028 – da wird voll angegriffen.“

Und so bleibt am Ende eines 0:5 gegen die Bayern der bemerkenswerte Nebensatz, der eigentlich die Hauptbotschaft war: Der VfB Stuttgart hat einen Weltmeister gebunden. Einen, der die Latte buchstäblich und im übertragenen Sinne weiter hochlegt. Und der – im Unterschied zur Profifußballabteilung an diesem Nachmittag – genau weiß, wie man einen Wettbewerb zu Ende bringt.

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