VfB Stuttgart

Zeitenwende im VfB-Aufsichtsrat: Warum die Vogt-Entmachtung so brisant ist

Fußball VfB Stuttgart vs. 1. FC Union Berlin
Investor Porsche hat sich mit seinem Wunsch durchgesetzt: Präsident Claus Vogt ist nicht länger Aufsichtsratsvorsitzender des VfB Stuttgart. © Pressefoto Baumann

Der amtierende Präsident des VfB Stuttgart ist im Aufsichtsrat entmachtet worden. Claus Vogt wurde als Vorsitzender des Gremiums am Dienstag (12.03.) abgewählt, Tanja Gönner übernimmt. Und viele Mitglieder des Traditionsvereins fühlen sich hintergangen. Schließlich wurde ihnen im Zuge der Ausgliederung versprochen, dass der e.V.-Präsident immer auch auf dem AR-Chefsessel sitzen wird. Im Stuttgarter Talkessel zeigt sich die große Debatte im deutschen Fußball, findet unser Redakteur Danny Galm in seinem Kommentar zur Vogt-Dimission: Wie viel Mitbestimmung der Mitglieder braucht es und wie viel Einfluss sollten Investoren haben?

Am Ende ist es einsam geworden um Claus Vogt im elfköpfigen Aufsichtsrat der VfB Stuttgart 1893 AG. Der gewählte Präsident des Vereins für Bewegungsspiele Stuttgart 1893 e.V. wurde letztlich mit deutlicher Mehrheit seines Amtes als Vorsitzender des mächtigen Kontroll- und Beratungsgremiums enthoben. Eine deutliche Abfuhr für den 54-jährigen Unternehmer aus Waldenbuch, der seit seiner Wahl 2019 als AR-Chef fungiert hatte. 

Dabei ist seine Abwahl in gewisser Weise eine Zeitenwende für den Traditionsverein. Schließlich war der gewählte Präsident bislang immer gleichzeitig auch Vorsitzender des Aufsichtsrats. Das war den Mitgliedern im Laufe der mitunter hochemotionalen Diskussionen im Vorfeld der Ausgliederung 2017 auch genauso versprochen worden. Aber auch später noch, unter anderem bei einem "Dunkelroten Tisch" im Präsidenschaftswahlkampf 2019, wurde das von Vereinsvertretern gerne betont:   

Schriftlich fixiert wurde diese Zusage jedoch nicht – wenn das juristisch überhaupt möglich gewesen wäre. Der Vertrauensbruch gegenüber den über 90.000 Mitgliedern bleibt so oder so. 

Das sind die Reaktionen auf die Absetzung von Claus Vogt als AR-Chef

„Mitglieder-Mitsprache für 40 Millionen verkauft“, schrieb deshalb am Mittwoch (13.03.) der reichweitenstarke Fan-Blog Vertikalpass. Und da es keine validen Meinungsumfragen im berühmt berüchtigten „schwierigen Umfeld“ gibt, muss diese kurze Presseschau in der durchaus bunten und lebendigen Blogger-Szene rund um den VfB als Stimmungstest herhalten. Da wird weiter vom „Weltmarkenputsch“, „Verein für Betrug“ und vom „Stuttgart Downfall“ geschrieben. Der Blick in die sozialen Medien förderte wenig überraschend ein ähnlich aufgebrachtes Lagebild zutage.

Und selbst das Fachmagazin Kicker formulierte überaus scharf: „Mitglieder? Welche Mitglieder? […] Der e.V. mag noch die Mehrheit an der AG halten, die Agenda setzen aber nun die Investoren.“

Warum diese heftigen Reaktionen? Weil die vom neuen Investor Porsche gewünschte Neuordnung an der Aufsichtsrats-Spitze offensichtlich Teil der Verhandlungsmasse im Zuge des Einstiegs des Sportwagenbauers aus Zuffenhausen beim Bundeslisten aus Bad Cannstatt gewesen sein soll. Was wiederum direkt zum Kern der zuletzt bundesweit geführten Debatten rund um die 50+1-Regel und den Einfluss von Geldgebern im deutschen Fußball führt.

Die VfB-Ultras hatten ihren Standpunkt zuletzt klar artikuliert

Dem VfB dürfte nach dem Knall vom Dienstag das wirklich große Grollen aber erst noch bevorstehen. Die Ultras hatten ihren Standpunkt zuletzt deutlich via Spruchband und einem Statement auf ihrer Homepage artikuliert: „Präsidium habt Ihr uns verkauft? Antworten jetzt!“

Vermutlich ist eine offene Kommunikation von Vereins- und AG-Seite jetzt der einzige Weg, um die Wogen doch noch irgendwie zu glätten. Wenn das überhaupt noch möglich ist. Eine ausführliche Erklärung der aktuellen Vorgänge ist das Mindeste, was die Mitglieder jetzt erwarten dürfen. Die Pressemitteilung zur Absetzung Vogts (hier nachzulesen auf der VfB-Homepage) war da kein Hoffnungsschimmer. Sie hatte es vielmehr in sich. Und dürfte kaum zur Entspannung des Konflikts beitragen.

Zu scharf war die kaum verhohlene Kritik am frisch Abgesetzten, der zudem in der Depesche nicht einmal zu Wort kam. Um die Vorstandsarbeit „professionell begleiten, kontrollieren und fördern zu können“, habe der Aufsichtsrat die vom e.V. entsandte (aber nicht von der Mitgliederversammlung gewählte) Tanja Gönner zur neuen Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Eine deftige Watschn für Vogt, dem seine Kritiker schon seit Jahren schlechte Sitzungsführung und Entscheidungsschwäche vorwerfen. 

Am Tag nach dem Erdrutsch im Aufsichtsrat deutet in jedem Fall einiges daraufhin, dass die brisante Absetzung Vogts noch lange nachhallen wird. Kaum auszudenken was in Stuttgart los wäre, wenn rund um den Wasen der sportliche Höhenflug der Mannschaft in der Bundesliga aktuell nicht das überstrahlende Thema wäre. Für Sprengstoff auf der nächsten Mitgliederversammlung des Vereins dürfte in jedem Fall gesorgt sein. Und da dürfte es kaum eine Rolle spielen, dass der Klub dann aller Voraussicht nach wieder international spielen wird. Vereinspolitisch hat sich der VfB dem sportlichen Niveau des Teams von Sebastian Hoeneß in jedem Fall noch nicht angepasst. Da ist noch eine Menge Luft nach oben. 

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