"Hoffentlich brennt der nicht": Querdenker mobilisieren zu Impfbus in der Pfalz
Die Querdenker-Szene mobilisiert aktuell deutschlandweit zu einem Impftermin für Kinder, der am Dienstag (04.04.) im pfälzischen Mutterstadt stattfinden soll*. Die Beiträge dazu, die sich über Telegram verbreiten, reichen von der Aufforderung zum „Besuch“ bis zur Gewaltfantasie. Mittendrin: Querdenker aus der Region Stuttgart.
Hinweis der Redaktion: Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass überhaupt keine Kinder geimpft werden. Hier geht es zum aktuellen Artikel.
Imptermin für Kinder in Mutterstadt: Querdenker-Szene ist erbost
Mutterstadt ist eine Gemeinde im Rhein-Pfalz-Kreis mit knapp unter 13.000 Einwohnern. Im Amtsblatt der Gemeinde wurde kürzlich ein Hinweis veröffentlicht: Ein Impfbus kommt in die Stadt, und bietet Kinder-Impftermine an. Für die Altersgruppe von 4 Monaten* bis 4 Jahren, und von 5 bis 11 Jahren. Verwendet werde dabei der eigens für die jeweilige Altersgruppe zugelassenen Impfstoff „Comirnaty“ von Biontech.
Die Ankündigung ruft die Querdenker-Szene auf den Plan. Die mittlerweile deutschlandweit bekannte Homöopathin Dr. Carola Javid-Kistel, die sich aktuell in Mexiko dem Griff der Behörden entzieht, veröffentlichte ein Video zu dem geplanten Impftermin. „Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit, dass man dazu jetzt auch noch öffentlich aufgerufen hat, die Eltern dort ihre Kinder sozusagen zur Schlachtbank zu bringen und durchspritzen/wegspritzen zu lassen […]“, so Javid-Kistel. Es gebe doch eine „erdrückende Faktenlage“, wie gefährlich die Impfung sei. Bei den Impfstoffen handle es sich um „Biowaffen“.
Impfbus in Mutterstadt: Wie sicher sind Kinder-Impfungen?
Tatsächlich deutet die Faktenlage in eine andere Richtung: Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden bis Anfang März 2022 859 Verdachtsfälle einer Nebenwirkung in der Altersgruppe von 5 bis 11 Jahren mit dem „Comirnaty“-Impfstoff von Biontech gemeldet. „Die überwiegende Mehrzahl der unerwünschten Reaktionen war nicht schwerwiegend“, hieß es damals.
"Es gibt keine Hinweise auf ein Risikosignal, das darauf hindeuten würde, die Impfung würde bei Säuglingen oder Kindern (aller Altersgruppen) zu auffälligen, schwerwiegenden Nebenwirkungen oder gar Todesfällen führen", sagte ein Sprecherin des PEI auf Nachfrage. Impfstoffe würden umfangreich kontrolliert, Verdachtsfallmeldungen von allen Arzneimittelbehörden im Europäischen Wirtschaftsraum erfasst und bewertet. Bei Risikosignalen würde reagiert. "Auch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin hat sich mit den Daten für die Kinderimpfstoffe befasst, die Impfung für die entsprechenden Altersgruppen empfohlen und dies auch wissenschaftlich begründet."
Ende 2022 wurde eine Studie zu Nebenwirkungen bei Kleinkindern unter Leitung des Wuppertaler Kinder- und Jugendmediziners Dr. med. Cho-Ming Chao veröffentlicht. Ergebnis: Keine Auffälligkeiten im Vergleich zu anderen Impfstoffen.
Telegram-Kanal von Heinrich Fiechtner: "Giftplörre" und "Verbrecher"
So absurd die Äußerungen im Video der Homöopathin Javid-Kistel anmuten mögen: In der Szene verfangen sie. Das Video verbreitet sich via Telegram, auch Querdenker-Kanäle aus der Region Stuttgart greifen es auf.
Der ehemalige Landtagsabgeordnete und Ex-AfD-Politiker Heinrich Fiechtner teilte beispielsweise einen Beitrag, in dem Adresse und Telefonnummer des Veranstaltungsorts genannt werden. Im Text heißt es, Kinder sollen dort mit „der Giftplörre vergiftet werden“. Und: "Wer hat ein Zeit und Interesse einen Impfbus zu 'besichtigen'?" Fiechtner teilt ein Bild des Impfbusses, nennt die Verantwortlichen "Verbrecher", die "das Gengift [...] in Menschen [...] jagen."
Ein weiterer in Fiechtners Kanal geteilter Beitrag zeigt den „Fahrplan“ des Busses für die nächsten Tage. Ein Nutzer kommentiert: "Was würden wohl die ‚woken‘ Franzosen mit dem Giftbus machen?“ Die Antwort liefert er in Form von Emojis: Flammen, Dynamit, Bombe. Ein anderer schreibt: „Und was würden die Klimaretter hier machen? Die Autoreifen durchlöchern …“
Kinder-Impfterin: Querdenker aus Schwäbisch Gmünd und Stuttgart mobilisieren
Im Kanal der Querdenker-Demos aus Schwäbisch Gmünd, der unter anderem vom ehemaligen Alfdorfer Gastwirt Stefan Schmidt betrieben wird, findet sich ein Google-Maps-Screenshots des betreffenden Gebäudes. Man solle „Kontakte“ in der Umgebung „aktivieren“. Selbst hinfahren wollen die Gmünder Querdenker offenbar nicht – bei zwei Stunden Fahrt sei das „nicht ökonomisch“.
In einem radikalen Querdenker-Kanal aus Stuttgart findet man das Javid-Kistel-Video mit dem Text „[…] zum geplanten Massenmord an Babys und Kindern in Mutterstadt.“ Und auch die regionale Aktivistin Tina Romdhani veröffentlichte mehrere Beiträge zu dem Termin. „Gemeinsam stoppen wir diese Gefahr!“, schreibt sie.
Impfbus im Fokus der Querdenker: Man will dem Team "auf's Maul" hauen
Nicht nur in der Region Stuttgart sorgt die Impf-Ankündigung für teils drastische Reaktionen. In einem überregionalen Kanal finden sich Kommentare wie: „Dem Spritzen-Mengele-Team eins auf’s Maul“ – Faust-Emoji. Eine Anspielung auf den SS-Lagerarzt und Nazi-Kriegsverbrecher Josef Mengele. Ein anderer Nutzer schreibt in Bezug auf den Impfbus: „Hoffentlich brennt der nicht“.
Die Querdenker-Szene suggeriert eine Gefahr für Kinder. Man will gegen den Impftermin in Mutterstadt protestieren. In den Kommentaren wird eine Drohkulisse aufgebaut. Menschen, die am Veranstaltungsort arbeiten, und sei es in der Gastronomie, werden als „Mitmachtäter“ diffamiert. Wissen die Verantwortlichen, was auf sie zukommen könnte?
Polizeipräsidium Rheinpfalz: "Hinweise aus der Bevölkerung erhalten"
Bei der Stadt Mutterstadt ist am Mittwochnachmittag (29.03.) niemand mehr zu erreichen. Eine Sprecherin des Rhein-Pfalz-Kreises sagte auf Nachfrage, man sei über den Impftermin informiert worden. Es sei keine Demo beim Impfbus angemeldet. Auf eine Anfrage unserer Redaktion an den Veranstaltungsort kam bislang keine Rückmeldung.
Das zuständige Polizeipräsidium hat die Mobilisierung aber auf dem Schirm, sagt eine Sprecherin. „Wir haben bereits Hinweise aus der Bevölkerung erhalten, dass dieser Aufruf gestartet worden ist“, sagt sie. „Wir werden das natürlich überwachen.“ Wie die Polizei im Detail auf den Aufruf reagiert, wie viele Einsatzkräfte vor Ort sein werden, das hänge nun von der Einschätzung der Ermittler ab.
*Anmerkung der Redaktion: Bei der Altersangabe ist den Verantwortlichen wohl ein Fehler unterlaufen: Der Impfstoff ist nicht ab 4, sondern ab 6 Monaten zugelassen.