Kinderklinik Ludwigsburg: "Wissen kaum, wo wir die Kinder unterbringen können"
Intensivmediziner und Kinderärzte warnen aktuell vor „Katastrophenzuständen“ in Kinderkliniken und Arztpraxen. Als eine der akuten Ursachen wird die steigende Zahl an RS-Virenerkrankungen und anderen Atemwegsinfekten bei Kindern genannt.
Auch in Ludwigsburg ist die Lage „sehr ernst“, sagt Prof. Dr. Jochen Meyburg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Auch wegen Corona: Kliniken im Umkreis überlastet
„Die RSV-Welle begann vor etwa drei Wochen und hat seither beständig an Fahrt aufgenommen“, so der Mediziner. „Seit etwa einer Woche steigen die Zahlen explosionsartig an.“ Kinderkliniken im Umkreis, aber auch in ganz Deutschland seien an ihren Grenzen. Freie Betten gebe es kaum, dazu komme ein hoher Krankenstand beim Personal – auch durch Corona.
RSV-Welle: Noch schlimmer als im Vorjahr
Die diesjährige RSV-Welle sei noch schlimmer, als die im Vorjahr. „Am Wochenende wurden täglich über 200 Kinder mit Atemwegsinfekten vorgestellt“, sagt Dr. Meyburg. „Die meisten davon dürften RSV oder Influenza gehabt haben.“
Am Dienstag (29.11.) waren Meyburg zufolge in Ludwigsburg 15 Kinder mit einer RSV-Infektion stationär unterbracht. Vier davon auf der Intensivstation, darunter zwei Kinder in kritischem Zustand. Auch die Kinder auf Normalstation hätten einen hohen Betreuungsaufwand, so der Arzt. Sie benötigen Sauerstoff und müssen alle drei Stunden inhalieren. „Es können derzeit nur die allerkränksten Kinder aufgenommen werden, also die Spitze des Eisbergs im Vergleich zu den niedergelassenen Kinderärzten.“
Schwerere Verläufe: „Deutlich mehr Kinder auf der Intensivstation“
Neben der höheren Zahl an kranken Kindern beobachten die Ärzte in der Kinderklinik Ludwigsburg auch schwerere Verläufe. „Junge Säuglinge, die von der Krankheit immer am stärksten betroffen sind, sind deutlich kränker als sonst“, sagt Dr. Meyburg. „Wir haben deutlich mehr Kinder auf der Intensivstation, wo langsam tatsächlich die Geräte knapp werden.“ Auch ältere Kinder im Kindergartenalter müssten vermehrt stationär aufgenommen werden, weil sie zusätzlichen Sauerstoff brauchen. „Das kennt man aus den vorangegangenen Jahren so nicht.“
Der Mediziner vergleicht die aktuelle Situation – "zugespitzt formuliert" – mit dem Beginn der Corona-Pandemie. „Die Kinderkliniken erleben gerade ihren März 2020, die Periode, in der auf den Erwachsenenstationen während der Covid-Pandemie nichts mehr ging“, sagt Prof. Dr. Jochen Meyburg
Und Entwarnung gibt es noch nicht: Die aktuelle RSV-Welle wird voraussichtlich noch sechs bis acht Wochen anhalten, schätzt er. „Wir wissen kaum noch, wo wir die Kinder unterbringen können und erst recht nicht, wer sie adäquat versorgen soll, falls die Zahlen weiter ansteigen.“




