Landtagswahl in BW: Wie die rechtsextreme AfD die Brandmauer „umwerfen“ will
Waiblingen/Berlin. Die Strategieklausur der AfD-Bundestagsfraktion vom Freitag (04.07.) und die Berichterstattung darüber haben für viel Wirbel gesorgt – und Missverständnisse. Nun hat das Nachrichtenportal „Politico“ eine Präsentation der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch geleakt, die weitere Einblicke in die Pläne der rechtsextremen Partei gibt. Worüber wurde diskutiert? Was steht im geleakten Dokument? Ist davon irgendetwas neu? Und was bedeutet das für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026? Eine Einordnung.
Irritation um „Remigration“: Nein, die Partei hat sich nicht davon verabschiedet
Die Berichterstattung von der AfD-Klausurtagung hatte in den letzten Tagen vor allem einen Fokus: Den rechtsextremen Kampfbegriff „Remigration“. Medien berichteten fälschlicherweise, die AfD hätte den Begriff aus dem Grundsatzprogramm gestrichen (wo er nie drinstand, wie unter anderem Journalistin Nicole Diekmann anmerkte). Das kam beim eigenen Klientel nicht gut an, wie zahlreiche Beiträge auf Social Media und Telegram belegen.
Richtig ist: Während der Tagung wurde ein Positionspapier der Partei verabschiedet, kein Grundsatzprogramm. Medien wie dem „Spiegel“ lag eine Fassung dieses Papiers vorab vor, in der dieser Begriff noch enthalten war. In der verabschiedeten Fassung war er dann nicht mehr zu finden. Er wurde gestrichen.
Kampf um den Kampfbegriff: Die AfD verrenkt sich
Um den Kampfbegriff tobt in der Partei immer wieder Streit. In der rechtsextremen Szene meint „Remigration“ die massenhafte Vertreibung von Menschen aus Deutschland, die nicht in das eigene völkische Weltbild passen. Dazu zählen neben Ausländern explizit auch Deutsche mit Migrationsgeschichte, die man für nicht anpassungsfähig hält. Ein prominenter Verfechter des Begriffs ist der Rechtsextremist Martin Sellner (Identitäre Bewegung).
Die AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg veröffentlichte schon 2017 ein Papier, in dem „Remigration statt Integration“ gefordert wurde. Die Parteispitze um Alice Weidel hatte den Begriff lange gemieden – bis zum Januar 2025. „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration“, sagte Weidel damals auf dem Bundesparteitag in Riesa. Der Begriff wurde ins Wahlprogramm (nicht ins Grundsatzprogramm) aufgenommen.
Selbstverharmlosung als Ziel: Das hat mehrere Gründe
Die AfD nimmt für sich offiziell eine eigene Definition von „Remigration“ in Anspruch. Der rechtsextremen Partei gehe es ohnehin nur um ausreisepflichtige Personen und Gefährder, Ziel sei ein rechtskonformes Vorgehen. So heißt es zumindest. Im Widerspruch dazu fordern hochrangige AfD-Politiker regelmäßig „millionenfache Remigration“ – obwohl laut Innenministerium zurzeit nur etwa 225.000 Personen ausreisepflichtig sind.
Auch nach der Klausurtagung am Wochenende wurde deutlich: Der Eiertanz um das Wort „Remigration“ hat rein strategische Gründe. Um Inhalte geht es dabei nicht. Bei der anschließenden Pressekonferenz hieß es, man halte an dem Begriff fest, auch wenn er nicht im Positionspapier stehe. Sprich: Die AfD will ihre rechtsextremen Wähler nicht verschrecken, gleichzeitig aber auch harmlos wirken – aus mehreren Gründen.
AfD will die bröckelige „Brandmauer“ stürzen
Das zeigt nicht zuletzt die von „Politico“ geleakte Präsentation. Die rechtsextreme Partei will mit ihrer Selbstverharmlosung für ein mögliches Verbotsverfahren gerüstet sein, doch ein anderes Ziel scheint zurzeit drängender: Die AfD will (mit)regieren. Dafür muss sie entweder noch deutlich mehr Wählerinnen und Wähler gewinnen – oder mit der Union koalieren. Im Dokument wird beides thematisiert.
Die Strategie der AfD besteht demnach darin, die Gesellschaft weiter zu spalten. Die rechtsextreme Partei will die Wählerschaft mittels Kulturkampf in ein „bürgerlich-konservatives Lager“ und ein „linksradikales Lager“ entzweien. Dadurch soll sich auch die Union weiter von SPD und Grünen entfernen und die ohnehin bröckelige „Brandmauer“ in sich zusammenstürzen.
AfD-Präsentation: „Brandmauer umwerfen“
Die AfD will dafür insbesondere „die Gegensätze zwischen Union und SPD unüberbrückbar machen“. Bis CDU/CSU am Ende – so stellt die rechtsextreme Partei es sich offenbar vor – nichts anderes übrig bleibe, als mit der AfD zu koalieren. Gleichzeitig soll die Selbstverharmlosung es für die Union einfacher machen, eine Koalition mit den Rechtsextremen einzugehen.
In der Präsentation werden unter dem Punkt „Brandmauer umwerfen“ drei Aufgaben benannt:
- „Themen und Forderungen, identifizieren, die die Union mittragen kann, die SPD nicht.“
 - „Kommunikation im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Union ausrichten.“
 - „Hürden und Problemfelder identifizieren, die einer Mitte-Rechts-Koalition entgegenstehen.“
 
„Taskforce“ zur Landtagswahl in Baden-Würrtemberg
In der Präsentation geht es außerdem um Wählerpotenziale, die man in der rechtsextremen Partei als ausbaufähig einschätzt. So will man sich offenbar in Zukunft stärker um Frauen, Deutsche mit Migrationsgeschichte und das Großstadt-Milieu, aber auch die „Generation 60+“ und „konfessionell gebundene Christen“ bemühen. Wie das konkret aussehen soll, soll noch erarbeitet werden. Unter anderem durch eine „Taskforce Südwest“.
Die „Taskforce Südwest“ wird mit den Wappen der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dargestellt. In beiden Ländern stehen 2026 Landtagswahlen an. Dort soll die erarbeitete Strategie dann angewandt werden.
{element}AfD-Strategie: Worauf es jetzt ankommen wird
Dass die AfD die Gesellschaft spalten und die Union attackieren will, ist nicht neu. Schon vergangenes Jahr hat man die Merz-CDU zum „Hauptgegner“ erklärt. Alexander Gauland sagte schon 2017: „Wir werden sie jagen!“ Die Partei legt seit Jahren offen, wie sie gegen politische Gegner vorgehen und Wählerstimmen gewinnen möchte. Die geleakte Präsentation ruft das nur erneut deutlich vor Augen.
Die entscheidende Frage wird am Ende sein: Können die demokratischen Parteien dieser Strategie, die sie schon lange kennen müssten, etwas entgegensetzen? Oder spielen sie sehenden Auges einer rechtsextremen Partei in die Karten, die nach der Macht greift?

 




