Neonazis bei Querdenker-Demo: Hitlergruß auf Video? Polizei Stuttgart ermittelt
Stuttgart. Querdenker und Rechtsextremisten sind am Samstag (22.03.) gemeinsam durch Stuttgart gezogen. Auch wenn linke Gegendemonstranten den Demo-Zug blockierten, bejubeln die beteiligten Neonazi-Gruppen das Ergebnis – während die Querdenker-Szene schon eine Neuauflage plant. In der Diskussion auf Telegram werden dabei teilweise radikale Töne angeschlagen. Auch von einer „Todesstrafe“ für Polizisten ist die Rede. Die Polizei ermittelt derweil wegen mutmaßlicher Hitlergrüße.
Demo in Stuttgart: Neonazis zeigen sich offen wie selten
Schon im Vorfeld war klar gewesen, dass Konfliktpotenzial bestand: Neonazi-Gruppen, darunter der gewaltbereite „Störtrupp“ (DST), hatten ihr Kommen angekündigt. Und tatsächlich waren Mitglieder der Gruppe im Stadtgarten äußerst präsent – mit Fahne, DST-Kleidung und rechtsextremen Sprechchören wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“ Optisch hätten die Aufnahmen, die den „Störtrupp“ in Stuttgart zeigen, auch von Szene-Demos der 90er-Jahre stammen können. Auch die Neonazi-Gruppen „Zollernalb Jugend Aktiv“, „Pforzheim Revolte“, „Unitas Germanica“, die rechtsextreme Kleinpartei „III. Weg“, die rechtsextreme Identitären-Gruppe „Reconquista 21“ und weitere Szene-Aktivisten nahmen Bildern zufolge an der Demo teil.
Auf Social Media wurde hinterher für die Kamera posiert oder gejubelt, was für eine „hammergeile Demo“ das gewesen sei. Auch wenn der erkennbar rechtsextreme Block wohl nur aus ein paar Dutzend Leuten bestand, herrscht in der Szene angesichts der Bilder aus Stuttgart Aufbruchstimmung. So stark und so offen hat die rechtsextreme Szene in den letzten Jahren selten Präsenz in der Landeshauptstadt gezeigt. Besonders scheint man sich auch darüber zu freuen, dass der Gegenprotest mit der Polizei aneinandergeraten ist. Sprich: Die Demo war für die Szene ein großer Erfolg. Weitere Neonazi-Gruppen scheinen sich – offenbar auch als Reaktion darauf – aktuell in der Gründungsphase zu befinden.
Polizei zufrieden: „Drohenede Auseinandersetzung“ verhindert
Zum Gegenprotest hatte der Verfassungsschutz neben den Neonazis auch linksextreme Gruppierungen erwartet. Angesichts der Ausgangslage zeigte sich das Polizeipräsidium Stuttgart in einer Pressemitteilung nach der Demo zufrieden mit dem Einsatz. Größere Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern habe man verhindern können, so der Tenor.
„Im Bereich der Liederhalle verhinderten Einsatzkräfte eine drohende Auseinandersetzung zwischen rechtsgerichteten Versammlungsteilnehmern und Personen, die deren Aufzug stören wollten, durch den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock“, hieß es am Samstagabend. Es habe mehrere Festnahmen gegeben, ermittelt werde unter anderem wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot, Körperverletzungsdelikten und tätlichen Angriffen sowie Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte.
Hitlergrüße und „White Power“-Handzeichen: Luigi Pantisano kritisiert Polizei
Der Bundestagsabgeordnete Luigi Pantisano (Linke) aus Stuttgart kritisierte im Nachgang via Social Media, dass Personen aus dem rechtsextremen Lager in mehreren Fällen den Hitlergruß gezeigt hätten, ohne dass die Polizei eingriff. Videos, die den Vorwurf untermauern, lieferte er gleich mit. Andere Aufnahmen zeigen weitere rechtsextreme Handzeichen.
Die Videos seien der Polizei „natürlich bekannt“, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart am Montagnachmittag (24.03.) auf Nachfrage. „Und wenn uns Straftaten bekannt werden, leiten wir auch Ermittlungsverfahren ein.“ Da aber noch eine Menge Bild- und Videomaterial vom Samstag zu sichten sei, stehe eine Bewertung momentan noch aus.
Am späten Montagabend veröffentlichte Pantisano dann auf einem seiner Social-Media-Profile den Auszug einer Mail, die vom Polizeipräsidium Stuttgart stammen soll. Demzufolge habe sein Hinweis „zur Ermittlung eines Tatverdächtigen geführt“. Die Polizei bestätigt auf Nachfrage, dass ein Tatverdächtiger identifiziert werden konnte.
Telegram-Kanal aus Stuttgart: „Todesstrafe für Befehlspolizisten“
In Telegram-Kanälen der Querdenker-Szene wurde im Nachgang ebenfalls Kritik laut. Wegen der Blockade der Gegendemonstranten auf der Theodor-Heuss-Straße konnte der „Protestmarsch“ nicht wie geplant weiterziehen. Von der „Tyrannei der Stadt“ ist in einem radikalen Stuttgarter Szene-Kanal die Rede und „Parasiten-Eliten“ – eine entmenschlichende Sprache, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert.
„Aber was tun das nächste Mal?“, fragt ein Nutzer auf die Blockade bezogen. „Einfach Polizeimauer durchbrechen und in die Königstraße marschieren?“ Die Antwort kommt von einem Nutzer namens Sven: „Das nächste Mal gibt es bei solchen Ereignissen (also die Störung des demokratischen Prozesses der freien Willensbildung) eine gut koordinierte Forderung von der Demoleitung im Sprechchor: ‚Todesstrafe für Befehlspolizisten‘.“
{element}„Protestmarsch“soll in nächste Runde gehen: Was dazu schon bekannt ist
Was man in den Szene-Kanälen dagegen vergeblich sucht: Kritische Kommentare dazu, dass Neonazis am „Protestmarsch“ in Stuttgart teilgenommen haben. Die Veranstaltung stand im Kontext eines fast bundesweiten Demo-Aufrufs unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“. Auch in anderen Städten beteiligten sich Rechtsextremisten und Reichsbürger Medienberichten zufolge an den Protesten.
Diese Proteste sollen nach den Demos am Samstag bald in die nächste Runde gehen. Das wird bereits jetzt mit einem konkreten Datum angekündigt: dem 26. April. Ob auch in Stuttgart wieder ein „Protestmarsch“ stattfinden wird, lässt sich aus den Ankündigungen nicht mit Sicherheit ablesen. Auch ob sich die Neonazi-Gruppen erneut anschließen werden, ist noch unklar – sie verbreiten teilweise aber bereits die Ankündigung. Was für die bevorstehenden Demos schon kommuniziert wird: An den Protesten sollen laut Veranstalter mehr Städte beteiligt sein als beim ersten Mal. 25 bis 30 Demos seien bundesweit geplant. „Eine ganz andere Hausnummer“.