Querdenker-Demo am Samstag: Junge Neonazis wollen mit durch Stuttgart ziehen
Stuttgart. Die Querdenker-Szene mobilisiert für Samstag (22.03.) in mehreren deutschen Städten zu Demonstrationen, darunter Stuttgart. Auch wenn die Veranstalter auf Telegram schreiben, dass sie sich von Extremismus distanzieren, haben mehrere Gruppen junger Neonazis sich bereits für die Stuttgarter Demo angekündigt. Die Rechtsextremisten mobilisieren seit Tagen über Kanäle wie Instagram und Tiktok. Vor allem eine zeigte sich in der Vergangenheit äußerst gewaltbereit. Polizei und Stadt treffen bereits Vorbereitungen. Was braut sich da zusammen?
Querdenker wollen bundesweit „Protestmärsche“: Was ist angekündigt?
Die Querdenker-Szene bewirbt seit mehr als einer Woche über diverse Telegram-Kanäle „bundesweite Protestmärsche“. Demos sollen am 22. März zeitgleich in fast allen Bundesländern stattfinden. Gefordert werden unter anderem „flächendeckende Grenzkontrollen“, „keine weiteren Milliardenhilfen für die Ukraine“, die „Wahrung der Meinungsfreiheit“ und „Schluss mit der Spaltung unserer Gesellschaft“.
Die Demo in Stuttgart ist für 14 Uhr am Stadtgarten angekündigt, ein Aufzug durch Stuttgart soll folgen. Veranstalter sind laut Ankündigung drei Personen aus zwei Organisationen, die sich der Querdenker-Szene zurechnen lassen: „Baden-Württemberg steht auf“ und „Politik und Medien Hand in Hand – das schadet unserem Land“.
Telegram: Distanzierung von Extremismus, aber Werbung für die AfD
Im Demo-Aufruf distanzieren sich die Veranstalter von Extremismus und geben an, es handle sich um eine „parteilose“ Veranstaltung. In den Telegram-Kanälen der Organisationen finden sich dagegen Wahlwerbung für die rechtsextreme AfD und Inhalte des rechtsextremen Senders „Auf1“. Bei Demos in der Vergangenheit war die rechtsextreme Kleinpartei „Die Heimat“ ebenso präsent wie die rechte Gewerkschaft „Zentrum“.
Demo in Stuttgart: Diese Neonazis haben ihr Kommen angekündigt
Für die nun bevorstehende Demo haben sich gleich mehrere Neonazi-Gruppierungen* angekündigt: „Pforzheim Revolte“, „Unitas Germanica“, „Der Störtrupp“ und „Zollernalb Jugend aktiv“. Das geht aus Social-Media-Beiträgen der Gruppen hervor, die über Instagram und Tiktok mobil machen. Was alle vereint: Ihr martialisches Auftreten, ihr Rassismus, ihr Hass auf linke und queere Menschen – und das junge Alter ihrer mutmaßlichen Mitglieder.
„Pforzheim Revolte“ ist seit Längerem aktiv und beteiligte sich in der Vergangenheit bereits an Aktionen in Stuttgart. Bekannt wurde „Pforzheim Revolte“ vor allem durch ihre Präsenz bei Protesten der Querdenker-Szene. Die Gruppe begann als Ableger der rechtsextremen Identitären Bewegung und wandte sich später dem klassischen Neonazismus zu.
Jung, rechtsextrem, gewaltbereit: Neue Gruppen mobilisieren
2024 sind deutschlandweit neue Gruppen junger Rechtsextremisten entstanden, die vor allem mit Störversuchen bei Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD) in Erscheinung traten. Dazu zählt auch „Unitas Germanica“. Die Mitglieder inszenieren sich auf Instagram vermummt in schwarzer Szene-Kleidung oder beim Boxtraining. Öffentlich zeigte sich die Gruppe beim queerfeindlichen Protest gegen den CSD in Albstadt im September 2024. Für 2025 befürchtetet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine Zunahme solcher Aktionen.
Den Protest in Albststadt hatte laut LfV die Gruppe „Zollernalb Jugend aktiv“ angemeldet. In auf Instagram veröffentlichten Videos sieht man die Rechtsextremisten mit wehender Reichskriegsflagge durch die Straßen ziehen. Auch „Der Störtrupp“ lässt sich dem klassischen Neonazi-Spektrum zurechnen. Beide Gruppierungen traten bereits bei Demos in Erscheinung. Insbesondere „Störtrupp“-Aktivisten zeigten sich in der Vergangenheit äußerst gewaltbereit. Ihre Propaganda-Videos erinnern teilweise an rechtsterroristische Gruppierungen.
Verfassungsschutz: Demo in Stuttgart spricht Extremisten an
All diese Neonazi-Gruppen werden vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die Gruppen, die mit der Anmeldung der Demo in Stuttgart in Verbindung stehen, seien wiederum keine Beobachtungsobjekte, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. „Allerdings bestehen Bezüge in das Spektrum der ’Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates’ “.
„Nach Einschätzung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes werden Akteure unterschiedlicher extremistischer Strömungen von der Veranstaltung angesprochen – und entsprechend daran teilnehmen“, so der LfV-Sprecher weiter. Seit einiger Zeit lasse sich die Entstehung einer „extremistischen Mischszene“ beobachten. Das berge die Gefahr, dass bei solchen Demos „bislang nicht extremistisch ideologisierte Personen mit extremistischen Narrativen sowie extremistisch durchzogenen Verschwörungserzählungen in Berührung kommen, diese gegebenenfalls unkritisch übernehmen und weiterverbreiten.“ Dadurch könne eine Radikalisierung angestoßen werden.
Polizei und Stadt: Haben rechtsextreme Mobilisierung im Blick
Die Polizei hat die rechtsextreme Mobilisierung bereits auf dem Schirm. Auch die Stadt weiß um die brisante Lage. Beide treffen nach unseren Informationen bereits jetzt Vorbereitungen, um die Sicherheit in der Innenstadt am Samstag zu gewährleisten.
Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart sagte auf Nachfrage. „Wir werden auf jeden Fall mit Einsatzkräften vor Ort sein.“ Genaueres stand am Mittwochvormittag (19.03.) noch nicht fest. „Wir stecken noch mitten in den Vorbereitungen.“
Öffentliche Sicherheit: Stuttgart will „Gefahrenprognose erstellen“
Für die eigentliche Demo sind laut einem Sprecher der Stadt Stuttgart 500 Menschen angemeldet worden. Außerdem gebe es „eine Handvoll“ weiterer Demos „aus anderen politischen Spektren“, die an diesem Tag stattfinden sollen. Dazu stehen noch Kooperationsgespräche mit den Anmeldern aus. Das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ mobilisiert beispielsweise bereits zu einer Gegendemonstration im Bereich Bahnhof/Schlossplatz. Das Ziel: „Den rechten Aufmarsch verhindern!“.
Die Stadt werde die Gemengelage mit der Polizei besprechen, „um eine Gefahrenprognose zu erstellen“ und dann gegebenenfalls mit Auflagen zu reagieren. Außerdem stehe man dem Sprecher zufolge im Austausch mit den Städten in anderen Bundesländern, in denen am Samstag solche Querdenker-“Protestmärsche“ stattfinden sollen – „um einen Eindruck zu erhalten, was für die öffentliche Sicherheit zu erwarten ist.“
∗Hinweis zur Transparenz: In einer früheren Version des Artikels war bei den Gruppierungen auch „Ostalbrevolte“ aufgezählt. Da sich nicht klären ließ, ob es sich dabei nicht möglicherweise nur um eine Einzelperson handelt, wurde „Ostalbrevolte“ entfernt.