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Querdenker-Demo mit Michael Ballweg in Stuttgart: The show must go on (Kommentar)

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Bis vor kurzem war er einer von ihnen: Michael Ballweg grüßt die Gefangenen der JVA Stammheim. © ZVW/Gabriel Habermann

Rund 1.000 Menschen haben am Sonntag (16.04.) in Stuttgart vor der JVA Stammheim mit Michael Ballweg demonstriert. Interessant ist, wie Ballweg und sein „Querdenken 711“-Partner Ralf Ludwig die Bühne nutzten, kommentiert unser Redakteur Alexander Roth, der sich die Demo vor Ort angeschaut hat.

Wie Ballweg sich sieht: "Der wahre Anführer"

Michael Ballweg ist zurück, seine Anhänger zeigten sich trotz Regens begeistert. Neun Monate lang hatte der „Querdenken 711“-Gründer in U-Haft in der JVA Stammheim gesessen. Dass er sich nun vor dem Gebäude feiern ließ und den Gefangenen von einem Hang herab über die Mauern zuwinkte – ein kleiner Triumph.

Ballweg nutzte seine Redezeit in Stammheim auch für Eigen-PR. Vor seiner Haft war er zur umstrittenen Person in der Szene geworden, viele Querdenker hatten sich von ihm abgewandt. Von den zehntausenden, die Ballwegs Initiative in der Hochphase auf die Straßen brachte, waren am Sonntag nur tausend gekommen. Zu ihnen sagte er: „Der wahre Anführer ist nicht der mit den meisten Anhängern, sondern jener, der die meisten Anführer hervorbringt.“

Mythos Ballweg: Ralf Ludwig vergleicht ihn mit Gandalf aus "Herr der Ringe"

Anwalt Ralf Ludwig wetterte aggressiver gegen die Konkurrenz. Ballweg sei in U-Haft gewesen, und trotzdem hätte die anderen nichts auf die Beine gestellt bekommen, was mit „Querdenken“ vergleichbar wäre. Er versicherte den Demonstrierenden, dass die Corona-Thematik nicht vorbei sei – seit Corona das Leben der Menschen immer weniger beeinflusst, kämpft die Querdenker-Szene um Relevanz.

Wie die anderen aus dem Umfeld des „Querdenken 711“-Gründers hatte Ludwig während der Untersuchungshaft vom „politischen Gefangenen“ Michael Ballweg gesprochen. Bei der Demo vor der JVA schickte er sich nun an, Ballweg als quasi-mythologische Figur zu inszenieren. „Wer ‚Der Herr der Ringe‘ kennt: Der graue Gandalf ist reingegangen, der weiße ist raus gekommen.“ In dem Fantasy-Roman von J.R.R. Tolkien ist Gandalf ein Zauberer, der nach einer Art Auferstehung von den Toten mächtiger und weiser zurückkehrt.

Einsatz für "politische Gefangene": Wie das "Querdenken" nutzt

Ballweg und „Querdenken 711“ wollen sich jetzt für Menschen einsetzen, die aus ihrer Sicht zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Das kann man bewerten, wie man möchte. Ob gewollt oder nicht erfüllt es für „Querdenken“ auch zwei Funktionen.

Erstens: Jeder Satz, der auf der Bühne über die Härten des Knast-Alltags gesprochen wurde, ließ Ballweg, der all das überstanden hatte, etwas größer erscheinen. Heinrich Fiechtner, Ex-AfD-Politiker und Landtagsabgeordneter, beschrieb es während Ballwegs U-Haft einmal so: „Michael Ballweg wird […] zur Symbolfigur und Märtyrer […] der Bewegung […]“.

Zweitens: Haftstrafen und Gerichtsprozesse sind in der Querdenker-Szene ein relevantes Thema. Einige Szene-Größen mussten sich schon vor Gericht verantworten, andere sind auf der Flucht vor den Behörden. Und auch die Anhänger, die an Demos teilnahmen, hatten teilweise schon mit der Justiz zu tun. Es gibt also eine gewisse Notwendigkeit – und Nachfrage.

Groß-Demos wirken weit entfernt: Ballweg denkt nicht ans Aufhören

Ob Engagement für „politische Gefangene“, Klima, „Aufarbeitung“ der Corona-Pandemie oder andere Themen: Dass Michael Ballweg und „Querdenken 711“ in der Protest-Szene die einstige Relevanz und Mobilisierungskraft erreichen, zeichnet sich aktuell nicht ab. Rund 1.000 Leute beim ersten öffentlichen Demo-Auftritt sind, trotz Regen, für „Querdenken“-Verhältnisse eher wenig. Großdemos, wie zur Hochzeit der Corona-Pandemie, wirkten selten ferner.  

Aufhören will Ballweg aber nicht, das wurde bei der Demo in Stammheim deutlich. Sein Konzept für „Querdenken“ reicht bis 2030, er hat ein Buch geschrieben, für weitere Demos wurde er bereits als Gast angekündigt. Man könnte meinen: „The show must  go on.“  

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