Stuttgart & Region

Stuttgart: Welche Folgen hatte der Skandal um Polizei-Chats für die Polizisten?

Polizei
Symbolfoto. © ZVW/Gabriel Habermann

"Wir müssen damit offen umgehen, nichts verharmlosen und nichts unter den Teppich kehren." Mit diesen Worten hatte ein Sprecher des Polizeipräsidiums vor mehr als zwei Jahren Stellung zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen Polizisten genommen. Es ging um Chats mit fragwürdigen Inhalten und rechten Symbolen. Die Ermittlungen sind mittlerweile eingestellt worden. Doch intern beschäftigt der Fall die Polizei noch immer – und hatte bereits Konsequenzen. Trotzdem bleiben Fragen offen.

Strafrechtliche Dimension: Warum die Staatsanwaltschaft nicht mehr ermittelt

Im Mai 2021 informierte die Staatsanwaltschaft Stuttgart darüber, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen fünf Polizisten und einen Angehörigen eingeleitet wurden. Es gehe um den Verdacht auf Volksverhetzung, „fremdenfeindliche Inhalte“ sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation, die in Einzelchats ausgetauscht worden sein sollen. Die beschuldigten Polizisten gehörten dem Polizeipräsidium Stuttgart und dem Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei an, das ebenfalls in Stuttgart sitzt.

Im Februar 2022 erfuhren wir von der Staatsanwaltschaft, dass der Kreis der Verdächtigen zwischenzeitlich um zwei Polizisten erweitert wurde. Und dass die Ermittlungen Ende 2021 eingestellt worden waren. Der Grund: Kein hinreichender Tatverdacht. Zur Verwirklichung des Tatbestands hätten die Chat-Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen.

Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen hatten die betroffenen Polizeipräsidien damals dienstrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Auch gegen Polizisten, die nicht Teil der strafrechtlichen Ermittlungen waren, aber an den Chats beteiligt gewesen sein sollen. Was wurde daraus?

Polizei in Stuttgart: Das sind die bisherigen Konsequenzen für die Polizisten

Gegen einen Polizisten des Präsidiums Technik, Logistik, Service der Polizei war strafrechtlich ermittelt worden. Dieser befinde sich weiterhin nicht im Dienst, die dienstrechtlichen Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Das teilte eine Sprecherin auf Nachfrage mit. „Der Beamte wurde während des laufenden Verfahrens von allen beamtenrechtlichen Verfahren, zum Beispiel einer Beförderungsauswahl, ausgeschlossen“, hieß es. „Zum anderen wurde die vorläufige Dienstenthebung mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst verfügt.“ Eine Kürzung der Bezüge werde geprüft.

Fünf Beamten des Polizeipräsidiums Stuttgart, gegen die strafrechtlich ermittelt wurde, sind wieder im Dienst, ein sechster mittlerweile im Ruhestand. Das sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Die betroffenen Beamten „versehen allerdings bis auf Weiteres ausschließlich Innendienst.“

Dienstrechtliche Dimension: Fünf Polizisten wurden entlastet – aber wie genau?

Man habe gegen insgesamt zwölf Polizisten disziplinarrechtlich ermittelt, in fünf Fällen seien diese Ermittlungen bereits abgeschlossen. Das Ergebnis: Man habe kein Dienstvergehen feststellen können. „In diesen Verfahren ging es um den Empfang von zwei Bildern, eines mit volksverhetzendem Inhalt und eines mit der Abbildung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“, so der Sprecher der Polizei.

Die betroffenen Polizisten hätten sich „aktiv gegen den Versand dieser Bilder durch andere positioniert", hieß es weiter. Das sei teilweise innerhalb des Chats passiert, teilweise persönlich gegenüer dem Absender, in jedem Fall aber zeitnah. "Die Beamten sind mit der so erfolgten Distanzierung ihrer Verpflichtung zum aktiven Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung nachgekommen", sagte der Polizeisprecher.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart war außerdem ein weiterer Vorwurf laut geworden: Gegen einen Polizisten des Polizeipräsidiums Stuttgart war zwischenzeitlich wegen dem Verdacht auf Verletzung des Dienstgeheimnisses ermittelt worden. Das Ergebnis: Gegen den Beamten wurde ein Strafbefehl erlassen. „Dem Strafbefehl lag der Vorwurf der Offenbarung von Teilen einer Ordnungswidrigkeitenanzeige zugrunde“, so der Sprecher der Polizei. Weitere Details nannte er nicht.

Zwei offene Fragen: Was wir über die Polizei-Chats nicht wissen

Die Ermittlungen hatten also in jedem Fall Konsequenzen. Zwei zentrale Fragen bleiben im Zusammenhang mit den Polizei-Chats weiterhin offen.

Erstens: Wie kamen die Ermittler den Polizisten konkret auf die Spur? Bekannt ist, dass die Chats im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens bekannt wurden. Also nicht, weil Kollegen sie gemeldet hätten. Worum ging es in diesem anderen Ermittlungsverfahren? Das ist weiter unklar.

Zweitens: Obwohl schon in den ersten Pressemittelungen von „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ die Rede war, und von „fremdenfeindlichen Inhalten“, ist bis heute offenbar niemand bereit, eine eigentlich simple Frage zu beantworten – worum geht es da?  

Wo die Behörden mauern: Die Frage nach den rechten Symbolen

Aus Sicherheitskreisen hatten wir früh erfahren, dass es sich um rechte Symbole handelt. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf „fremdenfeindliche“, sprich rassistische Inhalte, durchaus naheliegend. Aber auf offiziellem Weg war bisher nichts zu den Chat-Inhalten zu erfahren.

Im Mai 2021 fragten wir eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart erstmals, Kennzeichen welcher Organisationen in den Chats ausgetauscht worden sein sollen. Oder aus welchem politischen Spektrum diese Organisationen stammen. Dem rechten? Dem linken? Einem anderen?

Polizei antwortet auch nicht: Zu Chat-Inhalten will man keine Auskunft geben

Diese Frage ist nicht ungewöhnlich. In der Regen bekommen wir darauf eine Antwort. Wenn Symbole an Gebäude geschmiert werden, beispielsweise. In diesem Fall aber nicht. Man verwies auf die laufenden Ermittlungen. Dasselbe bei erneuter Anfrage im Juni 2021. Im Februar 2022, als klar war, dass die Staatsanwaltschaft nicht mehr ermittelt, fragen wir erneut. Doch eine Antwort bekamen wir nicht. Das Verfahren sei ja eingestellt worden, hieß es zur Begründung.

Ähnlich argumentiert nun die Polizei. „Mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren können wir keine Details zu den Inhalten nennen“, sagte die Sprecherin des Präsidiums Technik, Logistik Service. Und aus dem Polizeipräsidium Stuttgart hieß es, die laufenden Disziplinarverfahren seien komplex. Deshalb, „und weil das Polizeipräsidium Stuttgart weiterhin für eine umfassende Aufklärung der Vorfälle steht, erfolgt grundsätzlich keine Auskunft zu einzelnen Chats oder deren Inhalten.“ Man arbeite die Vorfälle umfassend auf und entscheide nach Abschluss über die Konsequenzen für die betroffenen Polizisten.

Der nächste Polizei-Skandal: Hitler-Bilder und Hakenkreuze

Mittlerweile hat ein weiterer Skandal um Chats die Polizei in Baden-Württemberg erschüttert: Seit mehreren Monaten wird gegen 15 Polizeibeamte strafrechtlich ermittelt, Insgesamt rund 70 sollen sich an den Chats beteiligt haben, in denen Hitler-Bilder und Hakenkreuze geteilt worden sein sollen. Die Ermittlungen dauern an. 

VG WORT Zahlpixel