VfB Stuttgart

Der Möglichmacher: Die unglaubliche Reise des VfB unter Sebastian Hoeneß

Fussball DFB Pokal VfB Stuttgart vs.  RB Leipzig
Hat den nächsten Meilenstein bereits im Blick: Trainer Sebastian Hoeneß will mit dem VfB den DFB-Pokal holen. © Hansjürgen Britsch

Stuttgart. Sebastian Hoeneß ist seit zwei Jahren Cheftrainer beim VfB Stuttgart. In seiner Amtszeit hat er den stolzen Traditionsverein geprägt wie kein anderer Coach in den letzten Jahren. Von Tabellenplatz 18 über die Relegation bis hin zur Vizemeisterschaft und Champions League – und nun auch noch ins DFB-Pokalfinale: Sein mitunter atemloser Weg liest sich wie ein Fußballmärchen. Zwei Jahre, die eigentlich für ein ganzes Fußballerleben reichen würden. Über einen Trainer, der sich genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort wähnt. Und eine Reise, die noch lange nicht zu Ende sein soll.

Es ging schon stramm auf Mitternacht zu, als Sebastian Hoeneß am Mittwochabend (02.04.) nach dem Finaleinzug gegen RB Leipzig auch noch auf sein in wenigen Minuten anbrechendes Dienstjubiläum am 03. April angesprochen wurde. Das war dann aber des Guten zu viel für den emotional ohnehin schon angefassten Coach. Ob er seine bisherige Reise mit dem VfB kurz zusammenfassen könnte, wurde Hoeneß da gefragt – und schüttelte vehement sein stets bemütztes Haupt: „Nein, das kriege ich nicht hin. Seht mir das bitte nach.“ Sein Kopf sei nicht mehr klar, was wiederum die Rhetorik beeinträchtigen würde: „Dieser Versuch würde scheitern.“

Nur so viel: „Die Zeit hier ist unglaublich.“ Was eigentlich schon eine ganz treffende Zusammenfassung seiner bisherigen VfB-Zeit ist.

Wieder Bochum: So blickt Hoeneß zurück auf seinen Amtsantritt beim VfB

Zwei Tage später auf der Pressekonferenz vor dem anstehenden Bundesliga-Spiel beim VfL Bochum hatte Hoeneß seine Gedanken dann sortiert. Und direkt die Parallele zu seinem Amtsantritt am 03. April 2023 im Blick. Los ging es für Hoeneß mit einem Pokalspiel in Nürnberg und darauf folgend einem Abstiegskracher im Bochumer Ruhrstadion. „Da war es aber Platz 18, und da war schon richtig Druck drauf“, sagt Hoeneß in der Rückschau. Beide Spiele wurden gewonnen. Der Auftakt in die Mission Klassenverbleib war geglückt – und damit die Basis für die weitere Entwicklung gelegt. „Wenn das Spiel in Bochum nicht gewonnen worden wäre“, so Hoeneß, „dann weiß ich nicht, ob wir gemeinsam Champions League gespielt hätten.“ Gewagte These: Vermutlich nicht.

Hoeneß hatte eine komplett verunsicherte Mannschaft übernommen. Hätten seine ersten Handgriffe damals nicht direkt gefruchtet, wer weiß, ob sich das Band zwischen Team und Trainer überhaupt geknüpft hätte. Einer der Schlüssel für den Erfolg – gepaart mit einer stabilen Führungsriege, einer durchdachten Kaderplanung und einer positiven Gesamtentwicklung des Klubs.

In der Spielzeit nach dem Relegationserfolg sei man dann „in einen richtigen Lauf gekommen“, habe „Dinge entfesselt“. Wie im Rausch eilten die Schwaben durch die Liga – am Ende wurde der VfB mit 73 (!) Punkten sensationell Vizemeister. Da habe man gesehen, „was mit dem Klub, der Stadt und den Fans möglich ist.“

VfB unter Hoeneß: „Die Reise ist unglaublich. Und sie ist auch noch nicht vorbei“

Für Hoeneß sind genau das die entscheidenden Faktoren, warum er sich weiter genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort wähnt. Zu keiner Zeit hätte er darüber nachgedacht, er müsse jetzt an einem anderen Standort den berühmten nächsten Schritt in seiner immer noch sagenhaft jungen Trainer-Laufbahn gehen. „Ich habe das Gefühl, dass ich genau hier den nächsten Schritt machen kann“, sagt Hoeneß, der aus der Rückschau auf sein bisheriges Wirken auch einen Auftrag für die weitere Zeit ableitet: „Die Reise ist unglaublich. Und sie ist auch noch nicht vorbei.“

Wobei der 42 Jahre alte Fußball-Lehrer unterstreicht: „Erfolgreiche Bundesligasaisons sind keine Selbstverständlichkeit.“ Was vor allem am jahrelang turbulenten Standort an der Mercedesstraße 109 besonders eindrucksvoll zu bestaunen war. Insofern hat bereits die Meldung „Glückwunsch zum Zweijährigen“ auf der Vereinshomepage einen gewissen Nachrichtenwert. Mit seinen 732 Tagen auf dem Trainerstuhl in Bad Cannstatt reiht sich der Sohn von VfB-Legende Dieter Hoeneß schon im oberen Drittel der vermutlich viel zu langen Trainer-Liste bei den Schwaben ein. Und im Schnitt hält sich ein Bundesliga-Trainer laut dem Bund Deutscher Fußballlehrer lediglich 1,2 Jahre im Amt. Insofern hat Hoeneß jetzt schon einiges erreicht – mit seiner Mannschaft, aber auch mit Blick auf seinen ganz persönlichen Werdegang.

Dabei begriff sich Hoeneß von Tag eins an immer auch als Spielerentwickler, als Bessermacher. Und inzwischen auch als Möglichmacher. Seien es die nächsten Entwicklungsschritte für einzelne Profis oder eben für den Verein als Ganzes.

So bewertet er auch die aktuelle Phase. Die Chance auf den ersten Pokalerfolg seit 1997 leuchtet zwar hell wie die Positionslichter am Fernsehturm, doch in der Bundesliga passten die Ergebnisse in den letzten Wochen nicht. Man sei in die aktuelle Runde „mit einem ganz ordentlichen Rucksack an Herausforderungen reingegangen“, so Hoeneß. Stichwort: Vierfach-Belastung durch Liga, Pokal, Königsklasse und die vielen Nationalspieler.

„Es ist jetzt von uns allen die Aufgabe, diese Entwicklung fortzusetzen“

Eine Weiterentwicklung einzelner Spieler sowie seiner Spielidee hat es dennoch gegeben. Auch international hat sich der VfB nach Jahren der erzwungenen Abstinenz wieder auf der größten europäischen Fußball-Bühne zurückgemeldet. „Da gehts mir einerseits um zehn Punkte in der Champions League, aber auch um die entsprechenden Auftritte. Wir sind in der Lage gewesen, dort zu zeigen, dass der VfB wieder da ist.“ Das ist definitiv gelungen.

In Stuttgart und Umgebung würde dem Trainer ohnehin niemand widersprechen, wenn er sagt: „Ich glaube, man kann die letzten zwei Jahre als Erfolg verbuchen.“ Ausruhen will sich der stets höfliche und keinem Autogrammwunsch verschlossene Coach nun aber keineswegs. „Es ist jetzt von uns allen die Aufgabe, diese Entwicklung fortzusetzen.“ In Bad Cannstatt sind in jedem Fall alle bereit, diesen Weg fortzuführen. Seinen Vertrag am Wasen hat Hoeneß konsequenterweise bis 2028 verlängert - ohne Ausstiegsklausel. Ein klares Signal an Verein und Mannschaft. Und wenn die ersten zwei Jahre bereits derart fulminant waren – wer weiß, was die nächsten noch bringen werden?

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