VfB Stuttgart

Donnerschlag beim VfB: Präsident und Vereinsbeirat kontern Vogt-Entmachtung

Claus Vogt
Der amtierende Präsident des VfB Stuttgart Claus Vogt ist im Aufsichtsrat entmachtet worden. © Simeon Kramer

Der Führungsstreit beim VfB Stuttgart zwischen dem e. V. und der in eine AG ausgelagerten Fußballabteilung erreicht einen neuen Kulminationspunkt: In einer langen Pressemitteilung erheben der als Aufsichtsratschef entmachtete VfB-Präsident Claus Vogt und der Vereinsbeirat schwere Vorwürfe: Die Abwahl von Vogt sei "rechtlich fragwürdig".

Claus Vogt, der amtierende Präsident des VfB Stuttgart, ist diese Woche im Aufsichtsrat entmachtet worden. Er wurde als Vorsitzender des Gremiums am Dienstag (12.03.) abgewählt, Tanja Gönner übernimmt. Viele Mitglieder des Traditionsvereins fühlen sich hintergangen. Am Donnerstag (14.3.) sind nun der Präsident und der Vereinsbeirat des VfB Stuttgart 1893 e.V. mit einer Stellungnahme zur Gegenoffensive übergegangen. Darin deuten sie eine detaillierte Prüfung - und so liest es sich zwischen den Zeilen - auch rechtliche Schritte an.

Brisant auch: Das Vereinspräsidium hat das Schreiben nicht unterzeichnet. Bei der entscheidenden Abstimmung sollen lediglich das Präsidiumsmitglied Rainer Adrion und die für den e.V. im Gremium sitzende Beate Beck-Deharde gegen Vogts Absetzung gestimmt haben, Christian Riethmüller (der zusammen mit Adrion und Vogt das dreiköpfige Präsidium bildet) hat sich seiner Stimme laut Medienberichten enthalten

Der Machtkampf beim VfB Stuttgart spitzt sich weiter zu

"Liebe Mitglieder des VfB Stuttgart 1893 e.V.", heißt es in der Pressemitteilung, "der Präsident unseres Vereins wurde am Dienstag in einer außerordentlichen Sitzung als Vorsitzender des Aufsichtsrates der VfB Stuttgart 1893 AG in rechtlich fragwürdiger Weise abgewählt – ob der gefasste Beschluss Bestand haben wird, gilt es notfalls zu klären. Aufgrund der enormen Tragweite und damit verbundenen Auswirkungen der Entscheidung sehen wir uns gegenüber unseren Mitgliedern verpflichtet, in gebotener Kürze Stellung zu nehmen" - wie intensiv der Machtkampf sich zuspitzt, zeigt sich dann daran, dass das Statement bei aller "gebotenen Kürze" ausgesprochen lang ausfällt.

"Unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten stellt sich in dieser Situation eine entscheidende Frage: Gehört der VfB wirklich noch seinen Mitgliedern? Die Ereignisse des Dienstags und die nicht mit dem Verein abgestimmte Pressemitteilung zeichnen leider ein anderes Bild. Das unseren Mitgliedern gegenüber gegebene Ausgliederungsversprechen war und ist essentiell wie bindend."

VfB Stuttgart: AG gegen e.V. - eine Geschichte gebrochener Versprechen

Ein Schlüsselversprechen seinerzeit lautete: Um die Rechte des Vereins zu wahren, soll prinzipiell der Präsident des e.V. auch Vorsitzender des AG-Aufsichtsrates sein. "Einer Abweichung von diesem im Rahmen der Ausgliederung maßgeblichen Versprechen bedarf aus unserer Sicht zwingend einer demokratischen Legitimation durch das oberste Organ unseres Vereins: Der Mitgliederversammlung." Dies habe der Vereinsbeirat "bereits am 27.02.2024 durch ein Schreiben an das Präsidium, den Vorstand und den Aufsichtsrat deutlich gemacht".

Verlinkt ist an dieser Stelle ein Schreiben des Vereinsbeirats vom 24. Februar an Präsidium, Vorstand und Aufsichtsrat. Es heißt darin: "Unseres Erachtens obliegt es keiner Einzelperson oder einem einzelnen Gremium, sich über das damalige Versprechen hinwegzusetzen. Eine Änderung der Vorgehensweise in Bezug auf diese Zusage ist nach unserer Auffassung nur durch einen breiten und transparenten Diskussionsprozess mit den Mitgliedern und ein anschließendes Votum der Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart 1893 e.V. – und damit dem obersten Organ unseres Vereines – möglich! Nach unserem Verständnis von Mitgliederrechten darf es keinen Weg an den Mitgliedern vorbei geben." 

Die AG habe "ohne jegliche Einbindung der Mitglieder Tatsachen geschaffen"

In der aktuellen Pressemitteilung heißt es weiter: "Dennoch wurden nun mit der vermeintlichen Abwahl des e.V.-Präsidenten als Vorsitzender des Aufsichtsrates, des Präsidialausschusses und Leiter der AG-Hauptversammlung ohne jegliche Einbindung der Mitglieder Tatsachen geschaffen. Dies ist umso bedauerlicher, als eine solche Entscheidung nur mit Stimmen von e.V. gewählten Aufsichtsräten möglich war."

Selbstverständlich seien auch  die e.V.-Vertreter "stolz und erfreut", dass sich mit Porsche "ein weiteres bedeutsames Unternehmen aus der Region beim VfB als Aktionär engagiert." Großes Aber: "Grundsätzlich hat jedes wirtschaftliche und persönliche Engagement auch beim VfB Spielregeln zu folgen. Diese dienen nicht einzelnen Interessen, sondern der Sicherstellung der Lizenz der Deutschen Fußball Liga sowie dem Erhalt des VfB in seiner traditionellen Struktur und der Wahrung der Rechte der Vereinsmitglieder. Mittlerweile zweifeln wir daran, dass diese Spielregeln eingehalten wurden und werden, und sichern zu, dass wir dies detailliert prüfen werden."

Im Kern gehe es um drei Versprechen ...

Versprechen Nummer eins: "Alle Entscheidungen bleiben in der Hand des VfB Stuttgart 1893 e.V."

In der Pressemitteilung von Präsident und Vereinsbeirat heißt es dazu: "Eine maßgebliche Spielregel hat sich der VfB selbst gegeben, und zwar anlässlich der 2017 durchgeführten außerordentlichen Mitgliederversammlung, in der wir unser Herzstück – den Profi-Fußball – auf die VfB Stuttgart 1893 AG übertragen haben. Vor dieser Mitgliederversammlung hat der damalige Vereinsvorstand den Mitgliedern unter Hinweis auf das neue Zusammenspiel eingetragener Verein / Aktiengesellschaft zugesichert (Zitat): „Wir werden auch in Zukunft keine Entscheidung aus der Hand geben!“ Dies war für die Mitglieder ein wesentliches Argument zur Unterstützung des Ausgliederungsbegehrens und für die Akzeptanz der Entscheidung – für uns stellt dies eine der Grundsäulen unserer Legitimation dar, deren Einhaltung wir sicherstellen. Wird diese Zusage aktuell tatsächlich gelebt? Wir glauben heute: Nein! Darum werden wir dies im Sinne des Vereins und deren Mitglieder prüfen und agieren."

Versprechen Nummer zwei: "Der Präsident des Vereins ist Aufsichtsratsvorsitzender der VfB Stuttgart 1893 AG"

Dazu schreiben Vogt und der Vereinsbeirat: "Zur Absicherung der Einhaltung vorgenannter Spielregel gehört unbedingt auch die zugesagte und versprochene Personenidentität von Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzenden den Mitgliedern des Vereins von dem Vorgängerpräsidenten ausdrücklich zugesichert und wiederholt bekräftigt, was für viele gleichermaßen maßgeblich für die Entscheidung und Akzeptanz der Ausgliederung war. Dies ist auch für uns eine bindende Verpflichtung. Der Bruch dieser Regel ist für uns ein grobes Foul und kann so nicht stehen bleiben. Der zwischenzeitlich dem Präsidenten nahegelegte ,Lösungsansatz', aus vorgeschobenen persönlichen oder gesundheitlichen Gründen zurückzutreten, war und ist natürlich keine Option."

Versprechen Nummer drei: Einhaltung der 50+1-Regel

Dazu steht in der Pressemitteilung: "Der deutsche Fußball funktioniert nach der Vorgabe, dass die sogenannten Muttervereine, bei uns der VfB Stuttgart 1893 e.V., wesentlich auf ihre Kapitalgesellschaften, bei uns auf die VfB Stuttgart 1893 AG, einwirken können (50+1-Regel der DFL). Das DFL-Schiedsgericht hat das wie folgt in seiner ,Hannover 96-Entscheidung' für den gesamten deutschen Fußball übersetzt: Die 50+1-Regel ist dann gewahrt, wenn eine ,aktive Gestaltung der Gesellschaft durch den Mutterverein sowie dessen aktiver Einfluss auf die Geschäfte der Spielbetriebsgesellschaft abschließend gesichert werden'. Jedoch sind in einer Aktiengesellschaft die Vorstände gemäß geltendem Aktienrecht absolut weisungsfrei und nur dem Interesse der Gesellschaft, nicht also dem Mutterverein, verpflichtet. Einfluss auf die Führung der Geschäfte der AG kann der VfB Stuttgart 1893 e.V. deshalb nur über die Mehrheit im Aufsichtsrat nehmen."

"Alle Bemühungen" zur Kooperation zwischen e.V. und AG "ohne Not zunichte gemacht"

Die Pressemitteilung mündet in die Zusammenfassung: "Mit der Entscheidung vom 12. März wird der Einfluss des e.V. im Aufsichtsrat deutlich geschwächt. So führt die neue Aufsichtsratsvorsitzende nun auch automatisch den Vorsitz des Präsidialausschusses und leitet nach der Satzung die Hauptversammlungen der VfB Stuttgart 1893 AG. Der Verein verliert nach unserer Auffassung wesentlichen Einfluss in vielen wichtigen Bereichen. Wir haben die Worte vieler Mitglieder auf der letzten Mitgliederversammlung noch im Ohr, die Ruhe im Verein und ein kollegiales Miteinander einforderten. Dass ausgerechnet in einer sportlich so erfolgreichen Phase dahingehend alle Bemühungen innerhalb der Gremien und zwischen e.V. und AG von Teilen des Aufsichtsrats ohne Not zunichte gemacht wurden, ist nicht nachvollziehbar und wird dem VfB im Gesamten in keiner Weise gerecht. Der 12. März 2024 war kein guter Tag für unseren VfB Stuttgart 1893 e.V. und seine Mitglieder. Es ist die absolute Verpflichtung der vom Verein in den Aufsichtsrat entsandten Personen, die Interessen des Vereins und damit seiner Mitglieder zu wahren. Dazu gehört insbesondere auch die Einhaltung grundlegender Zusagen, die wir jederzeit im Interesse der Mitglieder einfordern werden."

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