Gegen alle Widerstände: Wie der VfB Woche für Woche sein Repertoire erweitert
Dieser VfB Stuttgart muss seinem Trainer aktuell wahrlich viel Freude bereiten. Schließlich kann Sebastian Hoeneß einen Woche für Woche stetig voranschreitenden Entwicklungsprozess beobachten. Sein Team hat am Samstag (17.02.) beim 2:1-Sieg in Unterzahl beim SV Darmstadt 98 sein ohnehin schon breitgefächertes Repertoire noch einmal erweitert.
Gegen alle Widerstände holten die Schwaben einen „dreckigen Sieg“ (O-Ton Sportdirektor Fabian Wohlgemuth). Mit einem Mann weniger auf dem Rasen in der aufgeheizten Atmosphäre am Böllenfalltor zu bestehen, gehört wohl zu den größtmöglichen Stresstests der Liga. Der VfB hat ihn gemeistert. Weil er wie schon in der Vorwoche beim 3:1-Heimerfolg gegen Mainz den Charakter des Spiels annahm. Und weil sich selbst die feinsten Füße im Kader nicht zu schade für rustikale Arbeit waren.
VfB-Coach Hoeneß: „Wir haben einen unglaublichen Kampfgeist gezeigt“
Die war nach dem Platzverweis für Pascal Stenzel in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit dringend von Nöten. Einen Schönheitspreis gibt es in Darmstadt ohnehin zu keinem Zeitpunkt eines Spiels zu gewinnen. Hier müssen die gegnerischen Teams um jeden Zentimeter Rasen kämpfen – alles vor einer fast schon urtümlichen Kulisse, die es im deutschen Oberhaus leider nur noch selten gibt. „Das Spiel heute war härter als erwartet – was nicht heißt, dass wir den Gegner unterschätzt haben“, meinte daher Sebastian Hoeneß bei der Nachbesprechung in den Katakomben. Es sei ein „sehr schwieriges Spiel für uns“ gewesen: „Wir sind heute ein stolzer Sieger und haben einen unglaublichen Kampfgeist gezeigt.“
Selten in dieser Saison hatten sich die Stuttgarter einem derart emotionalisierten Gegner und Publikum entgegenstemmen müssen. Der Aufsteiger investierte alles, Trainer Torsten Lieberknecht setzte erstmals auf eine Doppelspitze und die Einstellung der „Lilien“ ist sowieso immer tadellos. „Wir haben gezeigt, dass wir sehr emotionalen Fußball spielen können – gegen eine Mannschaft, die mit Leverkusen in dieser Liga seines Gleichen sucht“, sagte Lieberknecht anschließend. Doch seiner aufopferungsvoll kämpfenden Truppe mangelt es ganz offensichtlich auf den entscheidenden Positionen an Qualität. Allen voran im Angriff. Stellvertretend dafür stand die Riesenchance von Ex-Stuttgarter Luca Pfeiffer aus der ersten Hälfte, der freistehend an VfB-Keeper Fabian Bredlow scheiterte.
VfB-Ersatzkeeper Fabian Bredlow stand in Darmstadt seinen Mann
Die starke Parade der etatmäßigen Nummer zwei, die wie schon gegen Mainz den an der Hüfte verletzten Alexander Nübel vertrat, steht dabei noch für eine andere Qualität dieser Stuttgarter Mannschaft. Sie ist in der Lage, Ausfälle zu kompensieren. So wurde Anfang des Jahres nicht nur das Fehlen von gleich vier Nationalspielern weitgehend schadlos überstanden, sondern zeigt sich am sehr ordentlichen Auftritt von Bredlow auch das absolut intakte Leistungs- und Teamgefüge.
Sicherlich, Bredlow ist in Sachen Ausstrahlung kein Nübel. Das weiß er wohl selbst am besten. Aber der gebürtige Berliner, immerhin mittlerweile seit 2019 in Diensten der Schwaben, stand in dieser auch aus Torhüter-Sicht äußert komplizierten Partie seinen Mann. Wenn er gebraucht wurde, war er da. Dazu wählte er eine gute Mischung zwischen langer und kurzer Spieleröffnung. Und verschleppte nebenbei in hektischen Phasen immer wieder klug das Tempo. Nicht die feine Art, aber legitim. Zumal ihn Schiedsrichter Tobias Welz gewähren ließ. Er selbst dürfte nach dem Spiel am meisten darüber verwundert gewesen sein, dass er ohne Gelbe Karte wegen Zeitspiels davonkam.
Der VfB Stuttgart reift von Aufgabe zu Aufgabe
46 Punkte nach 22 Spieltagen hat der Relegations-Teilnehmer aus der Vorsaison inzwischen eingesammelt. 17 (!) Zähler stehen mittlerweile zwischen dem VfB auf Rang drei und dem aktuellen Tabellensiebten aus Bremen. Die Stuttgarter sind damit nicht nur klar auf Kurs Königsklasse, vielmehr haben sie mit dem neuen Saisonziel vor Augen noch einmal angezogen. Zwar üben sich Spieler und Verantwortliche auch weiterhin in Zurückhaltung, was eine öffentliche Kampfansage in Richtung Europa angeht. Doch die Spieltag für Spieltag vom Team erzielten Ergebnisse sprechen längst eine viel zu eindeutige Sprache.
Zumal die Erfolge in der Art und Weise ihres Zustandekommens immer variabler werden. Sehr häufig waren es Dominanz und Spielwitz, die der Hoeneß-Elf verdientermaßen die drei Punkte sicherten. Zuletzt aber auch die Abgebrühtheit einer Spitzen-Mannschaft und nun am Böllenfalltor auch die Kampf- und Leidensbereitschaft. Mit anderen Worten: Der VfB reift von Aufgabe zu Aufgabe. Was fast schon zwangsläufig zur Frage führt, wer oder was diesen beeindruckenden Entwicklungsprozess stoppen kann?





