Trainersuche und Spannungsabfall: Der VfB Stuttgart gibt weiter Rätsel auf
Der VfB Stuttgart gibt seinen Fans weiter Rätsel auf. Was kann diese Mannschaft leisten? Irgendwo zwischen einem 6:0-Sieg gegen Bielefeld und einer 0:5-Klatsche gegen den BVB dürfte die Antwort liegen. Aber reicht dieses Leistungsvermögen für den Klassenverbleib in der Bundesliga? Und welcher Coach soll dieses Projekt in die Tat umsetzen? Mindestens bis zur WM-Pause bleibt Michael Wimmer in der Verantwortung, womöglich sogar darüberhinaus. Und der Interimstrainer will seine unverhoffte Chance auf einen Chefposten nutzen.
„Das war einfach katastrophal von uns“
Es klang gerade zu grotesk, als Sportdirektor Sven Mislintat nach der herben Niederlage in Dortmund davon sprach, dass Michael Wimmer „in der Mannschaft die richtigen Trigger-Punkte“ gefunden habe. Bezogen auf die Erfolge gegen einen unkonzentrierten VfL Bochum (4:1) und ein komplett desaströses Arminia Bielefeld (6:0) mag das stimmen. Doch die Frage muss erlaubt sein: Welche „Trigger-Punkte“ wurden in der Spielvorbereitung gedrückt und führten zu einem derart körperlosen Auftritt im Signal-Iduna-Park? „Das war einfach katastrophal von uns. Alle fünf Tore fallen komplett ohne Gegnerdruck“, schimpfte Keeper Florian Müller.
Ein unerklärlicher Spannungsabfall, den sich die Schwaben in dieser Saison nicht zum ersten Mal erlaubten. Von einem nachhaltigen Aufschwung ist der VfB nach der Trennung von Pellegrino Matarazzo jedenfalls noch ein ganzes Stück weit entfernt. Zu eklatant waren die Schwächen in allen Mannschaftsteilen am Samstag gegen einen spielstarken BVB. Der Weg zurück in ruhigeres Fahrwasser ist noch ein weiter.
Zur Bewertung der Gesamtsituation gehört allerdings auch: Weder die „Pflichtsiege“ (Mislintat) gegen Bochum und Bielefeld noch die zwar in der Höhe deftige, aber wenig überraschende Pleite gegen den BVB sollten der Maßstab für die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Teams sein.
Wird Wimmer von der Interims- zur Dauerlösung?
Die Beweisführung, dass die Truppe in der Liga durchaus konkurrenzfähig ist, wird auch in den kommenden Wochen Michael Wimmer antreten. Bis zum WM-Pause steht der Interimscoach in der Verantwortung. Und ist auf einmal sogar ein Kandidat für den Cheftrainerposten.
Dabei war der Plan der Verantwortlichen ursprünglich ein anderer gewesen. „Es ist eine Option, dass Michael Wimmer das Team in dieser Funktion auch am Samstag gegen Bochum betreut, vielleicht auch in mehreren Spielen. Das ist aber nicht das Ziel“, hatte Sven Mislintat am Tag nach der Matarazzo-Entlassung über die Interimslösung gesagt.
Die VfB-Trainersuche wirkt konfus und wenig durchdacht
Dass der ehemalige Assistent von Matarazzo inzwischen auch ein Kandidat für eine langfristige Lösung ist, sagt einiges über den bisherigen Verlauf der Trainersuche aus. Die wirkt für Außenstehende zunehmend konfus und wenig durchdacht.
Nach dem Bochum-Spiel hatte es von VfB-Seite geheißen, man spreche nun mit zwei Kandidaten, „die richtig Bock auf den VfB“ haben. Namen nannten und kommentierten Sportvorstand Alexander Wehrle und Sven Mislintat nicht, schnell wurden die beiden potentiellen neuen Cheftrainer aber in der Öffentlichkeit bekannt: der aktuell vereinslose Jess Thorup, zuletzt beim FC Kopenhagen unter Vertrag, und Alfred Schreuder, der mit Ajax Amsterdam die Tabelle in Holland anführt.
Beide sollen Gespräche mit den Stuttgarter Verantwortlichen geführt haben, wovon Schreuder allerdings nichts wissen will: „Ich soll auf einer Liste gestanden haben. Aber ich bin bei einem sehr schönen Club.“ Er habe null Interesse an einem Wechsel nach Stuttgart. Eine Schutzbehauptung, da er trotz bis 2024 laufenden Vertrags mit einem anderen Klub gesprochen hat?
Laut dem Fachmagazin kicker steht der ehemalige Hoffenheim-Coach jedenfalls weiter auf der Liste des VfB. Dort findet sich jetzt auch der Name eines 42 Jahre alten Fußballlehrers aus dem niederbayrischen Dingolfing. „Das ist ein Vertrauensbeweis und bestätigt, dass wir die vergangenen 14 Tage gut gearbeitet haben. Einen richtigen Grund zur Freude gibt es nach einem 0:5 aber natürlich nicht“, sagte Wimmer der Stuttgarter Zeitung.
Seine Weiterbeschäftigung mindestens bis zur Winterpause direkt nach dem gruseligen Auftritt in Dortmund bekanntzugeben, wirkte zumindest unglücklich. Wimmer selbst wurde erst nach Schlusspfiff in der Kabine über die Entscheidung informiert.
Wimmer will seine unverhoffte Chance nutzen
Im roten Clubhaus wird offensichtlich auf Zeit gespielt. Womöglich, weil in der WM-Pause auch die Vertragsgespräche mit Sven Mislintat anstehen. Sollte es im Winter zum ganz harten Cut in der künftigen VfB-Strategie kommen, wäre es schließlich geradezu fahrlässig bereits jetzt eine Entscheidung in der Trainerfrage zu treffen.
Ungerührt von all diesen offenen Fragen will Michael Wimmer die unverhoffte Gelegenheit beim Schopf packen. Schließlich landet man nicht alle Tage im Endauswahl-Prozess für einen Trainerposten in der Bundesliga: „Wie überall im Sport zählt das Leistungsprinzip. Wir werden mit der Mannschaft also Gas geben, arbeiten – dann ist das auch für mich eine Chance.“