VfB Stuttgart

Wie VfB-Trainer Hoeneß mit Mut und Menschenkenntnis seine Mannschaft formt

Fußball  VfB Stuttgart vs. 1. FSV Mainz 05
VfB-Trainer Sebastian Hoeneß bleibt seinem Prinzip treu: Mut zur Rotation, Vertrauen in alle – und am Ende stimmt das Ergebnis. © Pressefoto Baumann/Volker Müller

Stuttgart. Es gibt Trainer, die reden nach einem Sieg von Glück. Und es gibt Trainer, bei denen Glück irgendwann keine Rolle mehr spielt, weil man ahnt: Das hat System. Sebastian Hoeneß gehört zur zweiten Sorte. Der VfB Stuttgart hat am Sonntag (26.10.) mit 2:1 gegen Mainz gewonnen, ein weiteres Kapitel in dieser überaus stabilen Phase der Schwaben, in der selbst riskante Entscheidungen des Trainers sich in Erfolge verwandeln. Wie macht er das?

Zehn Feldspieler tauschte Hoeneß nach dem 0:1 bei Fenerbahce Istanbul aus – zehn! Nur Torhüter Alexander Nübel blieb. Eine Maßnahme, die irgendwo zwischen Mutprobe und gewagtem Experiment liegt. Doch der Trainer dachte nicht an Symbolik, sondern an Substanz. Belastungssteuerung nennt man das, aber beim VfB ist daraus fast eine Philosophie geworden.

Wer aktuell beim VfB reinkommt, weiß, dass er liefern muss

Was andere als Risiko sehen, ist für Hoeneß eine Konsequenz. Er hat eine Mannschaft geformt, die Vertrauen aushält. Wer draußen sitzt, weiß, dass er wieder drankommt. Und wer reinkommt, weiß, dass er liefern muss – und kann. Das ist das eigentlich Bemerkenswerte an diesem VfB: Er funktioniert über Hierarchien hinweg, weil der Trainer sie verschiebt, wenn es nötig ist.

Gegen Mainz stand plötzlich eine Elf auf dem Platz, die so noch nie zusammengespielt hat – und sie wirkte, als hätte sie seit Wochen nichts anderes getan. Dan-Axel Zagadou, fast 400 Tage ohne Bundesligaeinsatz, verteidigte ruhig und abgeklärt. Ameen Al-Dakhil und Pascal Stenzel fügten sich nahtlos ein. Und vorne glänzten zwei, die zuletzt mehr mit sich selbst beschäftigt waren als mit dem Gegner: Chris Führich und Deniz Undav.

Führich traf zum 1:1 mit einer Mischung aus Wut und Befreiung. Es war ein Tor, das man spürte – kein taktisches, sondern ein emotionales. „Wie früher in alter Führich-Manier“, lobte Sportvorstand Fabian Wohlgemuth. Undav, der sich Ende August verletzt hatte, entschied das Spiel mit einem Heber, der so frech war, dass er fast kokett wirkte. Später lachte er: „Ich wollte eigentlich durch die Beine schießen – aber im Endeffekt alles richtig gemacht.“ Und so steht am Ende eines riskanten Trainerexperiments ein weiterer Liga-Sieg, der fünfte in Folge, der fünfte zu Hause, und das alles mit einer Mannschaft, die so zusammengesetzt war wie eine Elf aus dem Trainingsspiel unter der Woche.

Hoeneß selbst bleibt derweil gelassen. Er lächelt, lobt die Mannschaft, spricht von „Frische“ und „Belastungssteuerung“. Kein Wort von Genie oder Glück. Dabei ist genau das die Kunst, die ihn im Moment auszeichnet: Er schafft es, das Normale außergewöhnlich aussehen zu lassen. Als er auf der Pressekonferenz nach dem Mainz-Sieg von einem Journalisten gefragt wurde, ob er denn nun beim VfB der Mann der Stunde sei, wies Hoeneß das so entschieden von sich, wie der Papst eine Einladung in den Megapark: „Nein, die Männer der Stunde standen heute auf dem Platz.“

VfB-Trainer Sebastian Hoeneß, der König Midas der Bundesliga

Vielleicht ist Sebastian Hoeneß tatsächlich so etwas wie der König Midas der Bundesliga – nur dass er keine Dinge, sondern Fußballprofis vergoldet. Führich, Undav, Zagadou – jeder, den er anfasst, scheint zu glänzen. Nicht, weil er sie verwandelt, sondern weil er ihnen das Zutrauen gibt, selbst wieder zu leuchten.

Dass der VfB derzeit Dritter ist, wirkt da fast wie eine Randnotiz. Entscheidend ist, wie dieser Trainer arbeitet: mit Geduld, Empathie und der Überzeugung, dass Fußball mehr mit Psychologie zu tun hat als mit Tabellenplätzen. Am Mittwoch (18 Uhr/Sky) steht schon das nächste Spiel an – wieder gegen Mainz, diesmal im DFB-Pokal. Es dürfte niemanden überraschen, wenn Hoeneß erneut die halbe Mannschaft austauscht. Und es würde ebenso wenig überraschen, wenn es wieder funktioniert. Alles, was Hoeneß anfasst, wird beim VfB gerade zu Gold. Und das Schönste daran: Er scheint selbst der Letzte zu sein, der das glaubt.

VG WORT Zahlpixel