Wie wichtig ist Guirassy für den VfB Stuttgart? TV-Experte Wolff Fuss ordnet ein
Eigentlich, sagt Wolff-Christoph Fuss, sollte der VfB Stuttgart diesmal nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben. Eigentlich ist der Kader zu gut dafür. Eigentlich. Wenn es da nicht ein riesengroßes Fragezeichen gäbe ... Im ZVW-Podcast „Wir reden über den VfB“ erzählt der Sportreporter, wie er den Schwabenstolz aktuell einordnet.
„Leider geil“: Wolff-Christoph Fuss und die Fähigkeit zum Staunen
Ein Taktiknerd ist er nicht. Über die Feinheiten der pendelnden Viererkette und des überladenen Halbraums, des abkippenden Sechsers und des ballfernen Zehners hört man Fuss – 47 Jahre alt, aufgewachsen in Nürtingen – eher selten dozieren. Dafür ist der Mann ein begnadeter Instinktfußballer.
Mit welch atemlosem Schwung er die emotionale Intensität eines sich dramatisch zuspitzenden Spiels und die fiebrige Begeisterung für diesen Sport zu vermitteln weiß, offenbart die Ode, die er einmal im Live-Kommentatoren-Überschwang spontan dem Größten überhaupt sang. Das war vielleicht analytisch nicht ganz auf dem Vergeistigungsniveau von Pep Guardiola, zeugte aber von einer trotz aller Reporter-Erfahrung immer noch hinreißend intakten Fähigkeit zum Staunen, wenn einen die pure Schönheit, deren Zeuge man grade wird, übermannt: „Messi, Messi, Messi, Messi, Messi, bist du verrückt?! Leider geil.“

Seine Prognose für die kommende Saison: „Ich' seh den VfB eigentlich gut aufgestellt“, der Kader habe Potenzial, Coach Sebastian Hoeneß wirke „sehr klar – wenn sie es mit der Klarheit durchziehen, darf eigentlich nichts passieren.“ Bis hierhin: zweimal das Wort „eigentlich“. Behalten wir das im Hinterkopf.
VfB-Torwartposition: Ein Guter für heute und ein Versprechen für die Zukunft
Vor allem habe der VfB die „Schwachstelle befriedet auf der Torwartposition“. In der vergangenen Saison erwies sich erst Florian Müller als zwar tendenziell hochveranlagt – aber er wirkte phasenweise unter der nervlichen Belastung so gramgebeugt, dass man sich fast fragte, ob man ihm wirklich etwas Gutes tut, wenn man ihn in die Kiste stellt. Danach entpuppte sich Fabian Bredlow als mit entschlossener Ausstrahlung und robuster Psyche gesegneter Keeper – der immer wieder an torwarthandwerkliche Talentgrenzen stieß. Das Ergebnis war im einen wie im anderen Fall dasselbe: zu viele Unsicherheiten, zu viele Fehler. Das färbte auf die gesamte Mannschaft ab.
In der neuen Saison hütet Alexander Nübel das Tor: „Gute Wahl“, sagt Fuss, der Mann sei in Monaco gereift und werde „dem VfB Stuttgart helfen, hundertprozentig“.
Nübel aber ist nur geliehen, eine Übergangslösung für ein Jahr; und dadurch wird Dennis Seimen nicht die Zukunft verbaut. Der 17-Jährige „ist 'ne Granate“, eine „Hochleistungsmaschine“ und könnte „für die nächsten zehn, zwölf Jahre die Lösung für alle Probleme“ werden, „die der VfB auf der Torhüterposition hatte“.
Insofern: Ein Platz im Niemandsland der Tabelle, irgendwo zwischen neun und dreizehn? Klingt realistisch. Eigentlich. Wenn es da nicht das riesige Fragezeichen gäbe.
Der vielleicht wichtigste VfB-Spieler in der vergangenen Saison war Mittelstürmer Serhou Guirassy. Obwohl er wegen einer Verletzung nur in 22 Bundesligaspielen zum Einsatz kam, schoss er elf Tore, war also, was Fuss einen „Veredler“ nennt. Guirassys Bedeutung für die Mannschaft erschöpfte sich aber nicht darin.
Guirassy, der Festmacher – oder: Bruno Labbadias Pech beim VfB Stuttgart
Manchmal mutete es an, als sei der Kerl die Lösung, wann immer jemand in Bedrängnis nicht wusste, wohin mit dem Ball. Dann flog die Kugel flach oder hoch, genau oder auch ungenau Richtung Guirassy. Worauf der demonstrierte, was mit dem Fachbegriff „den Ball festmachen“ gemeint ist: Mit dem Rücken zum gegnerischen Tor – eine undankbare Position – gelang es ihm ein ums andere Mal, die Kugel kontrolliert auf einen Mitspieler abzulegen, einen Freistoß zu ziehen oder wenigstens einen Einwurf herauszuholen. Das entlastete das Team.
Es ist wohl nur leicht übertrieben, wenn man mutmaßt: Guirassys Verletzung hat Bruno Labbadia den Job gekostet. Mit dem Stürmer holte der neue Trainer in seinen ersten beiden Matches jeweils ein Unentschieden, dann fiel der Zielspieler aus; von den folgenden neun Partien verlor der VfB sieben. Der Coach wurde entlassen, Hoeneß übernahm, konnte zu seinem Bundesliga-Einstand beim irrsinnig wichtigen Auswärtsspiel in Bochum gleich auf den eben genesenen Guirassy zurückgreifen – und der erzielte beim 3:2-Sieg ein Tor.
So. Und jetzt? Wird er bleiben? Oder doch noch den Verein wechseln? Eigentlich, sagt Fuss, sollte für den VfB „diesmal bisschen mehr als Abstiegskampf“ drin sein. Aber falls Guirassy geht, müsste man „noch mal neu diskutieren“.
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