VfB Stuttgart

Wieder kein Türkei-Debüt für Karazor: Warum der VfB-Profi weiter warten muss

VfB Stuttgart Trainingslager am Tegernsee
VfB-Kapitän Karazor kam erneut nicht für die Türkei zum Einsatz. © Hansjürgen Britsch

Stuttgart. Neun Profis des VfB Stuttgart waren mit ihren Nationalmannschaften in dieser Länderspielperiode auf Reisen. Einer davon: Atakan Karazor. Der Kapitän der Schwaben wurde bereits das dritte Mal für die Türkei nominiert – doch für einen Einsatz gegen Bulgarien oder Georgien reichte es wieder nicht. Damit wartet der zentrale Mittelfeldspieler weiter auf sein Debüt für die türkische Nationalmannschaft. Woran liegt das?

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Atakan Karazor musste Shitstorm in der Türkei aushalten

Jeder Profifußballer träumt davon, eines Tages für sein Heimatland spielen zu dürfen. Eine Berufung in die Nationalmannschaft ist eine große Ehre und hievt die jeweilige Profikarriere auf das nächste Level. Der VfB Stuttgart hat inzwischen einige Nationalspieler in seinen eigenen Reihen – und eigentlich hätte in den vergangenen Monaten ein weiterer dazukommen sollen. Die Rede ist von Atakan Karazor. In der Vizemeistersaison wurden Stimmen laut, die forderten, den zentralen Mittelfeldspieler für die deutsche Nationalmannschaft zu nominieren. Der damals 27-Jährige performte auf einem guten und stabilen Level – der Anruf vom Bundestrainer kam aber nie.

Daher entschied sich der Profi mit der doppelten Staatsbürgerschaft, für sein Heimatland zu spielen: die Türkei. Karazors Eltern wanderten aus der Türkei nach Deutschland ein, Sohn Atakan kam 1996 in Essen zur Welt. Die erste Berufung in die türkische Nationalmannschaft folgte im Oktober 2024: Der VfB-Profi wurde für die Länderspiele gegen Montenegro und Island zum ersten Mal für sein Heimatland nominiert. Was darauf folgte, war ein regelrechter Shitstorm: Das laufende Ibiza-Strafverfahren wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung gegen Atakan Karazor machte in der Türkei die Runde. Der Profi wurde daraufhin in den sozialen Netzwerken angefeindet, in den türkischen Medien war der Aufschrei groß.

Kapitän des VfB Stuttgart wurde bereits dreimal für die Türkei nominiert

Auch aus diesem Grund strich Nationaltrainer Vincenzo Montella den VfB-Profi damals aus dem Kader für das Montenegro-Spiel (11. Oktober 2024). Karazor sollte geschützt werden, der türkische Fußballverband (TFF) hatte die Lautstärke des medialen und gesellschaftlichen Echos im Fall Karazor unterschätzt. Im zweiten Spiel gegen Island (14. Oktober 2024) stand der Mittelfeldspieler das erste Mal im Kader, wurde aber nicht eingewechselt. Dann, bei der letzten Länderspielperiode des Jahres 2024 (im November), wurde Karazor hingegen gar nicht nominiert. Warum? Das ist unklar. Gut möglich, dass der TFF einen erneuten medialen Aufschrei verhindern wollte.

Im März 2025 – also knapp fünf Monate nach der ersten Berufung und dem anschließenden Shitstorm – wurde der VfB-Profi das zweite Mal für die Türkei nominiert. Für die beiden Spiele gegen Ungarn am 20. und 23. März stand Atakan Karazor im Kader, zu einem Einsatz kam er aber erneut nicht. Zwei weitere Länderspielperioden vergingen, ehe der VfB-Kapitän in diesem Monat das dritte Mal für die Türkei nominiert wurde: Doch auch beim 6:1-Sieg gegen Bulgarien (Karazor stand nicht im Kader) und beim 4:1-Sieg gegen Georgien (Karazor saß auf der Bank) wurde es nichts mit dem Türkei-Debüt.

Pech für Karazor? Nationaltrainer setzt viel auf Süper-Lig-Spieler

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen könnte das immer noch laufende Ibiza-Strafverfahren ein Grund dafür sein, dass der türkische Verband nach wie vor vorsichtig mit der Personalie Karazor umgeht. Die Wucht der Debatte in der Türkei hat jedoch spürbar abgenommen. Während im Oktober 2024 jede Tageszeitung über den Fall Karazor berichtet hat, geht es aktuell – auch in den sozialen Netzwerken – ruhiger zu. Zum anderen setzt Nationaltrainer Vincenzo Montella vermehrt auf Spieler, die in der Türkei spielen. Profis, die in ausländischen Ligen unterwegs sind, haben es schwerer, für den TFF zu spielen – außer sie heißen Arda Güler, Hakan Calhanoglu oder Kenan Yildiz. Außerdem wurde Atakan Karazor beim VfB Stuttgart zuletzt von Youngster Chema Andrés verdrängt, was auch als Begründung für die Nichtbeachtung Karazors herangezogen werden könnte.

Allerdings: Komisch bleibt die Situation trotzdem. Denn: Wird ein Profi für seine Nationalmannschaft nominiert, lässt ein Debüt in der Regel nicht lange auf sich warten – siehe Nathaniel Brown beim DFB, der gegen Luxemburg eingewechselt wurde und so direkt sein Länderspiel-Debüt feiern konnte. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der jeweilige Verband will sich den Spieler „sichern“. Kommt der Spieler einmal in einem Pflichtspiel zum Einsatz, ist ein Nationenwechsel nicht mehr möglich. Außerdem sieht man immer wieder, dass ein Debütant bei einer komfortablen Führung eingewechselt wird, um das erste Mal für sein Heimatland auflaufen zu dürfen. Und genau diese Situation lag beim souveränen 4:1-Sieg der Türkei gegen Georgien vor – doch Atakan Karazor wurde erneut nicht eingesetzt.

Karazor der einzige Spieler im Türkei-Kader ohne Länderspiel

Das Bizarre an der Situation ist: Der 29-Jährige war gegen Georgien der einzige Spieler im Kader, der noch nie für die Türkei gespielt hat. Statt dem VfB-Profi das Länderspiel-Debüt zu ermöglichen, wurde in der 77. Minute beispielsweise Salih Öczan eingewechselt. Der Sechser kam in dieser Bundesliga-Saison bislang auf lediglich 20 Einsatzminuten und spielt bei Borussia Dortmund aktuell überhaupt keine Rolle. Karazor hingegen ist Kapitän des amtierenden deutschen Pokalsiegers und kommt auf über 380 Bundesliga-Minuten.

Wieso also wurde Atakan Karazor das Debüt für die türkische Nationalmannschaft verwehrt? Eine Frage, auf die wohl nur Nationalcoach Vincenzo Montella eine Antwort weiß. Vom VfB Stuttgart jedenfalls erhält der Kapitän Rückendeckung. Bei den Verantwortlichen im roten Clubhaus regt sich laut der Bild inzwischen Unverständnis über das Vorgehen des türkischen Verbandes mit Atakan Karazor. Man wolle intern besprechen, wie man mit der Situation in Zukunft umgeht. Atakan Karazor hingegen kann nur eines tun: Sich beim VfB Stuttgart weiter mit guten Leistungen für die Türkei empfehlen – und auf ein Debüt bei der nächsten Länderspielperiode hoffen.

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