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Ballweg-Prozess spitzt sich zu: Staatsanwaltschaft stellt Befangenheitsantrag

Michael Ballweg
"Querdenken 711"-Gründer Michael Ballweg sieht sich im Prozess als politisch Verfolgter. © Gabriel Habermann

Stuttgart. Das Landgericht Stuttgart hat am Montag (17.03.) im Prozess gegen „Querdenken 711“-Oberhaupt Michael Ballweg eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen. Das berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa). Die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe dem nicht zugestimmt, da sie eine Verurteilung des Angeklagten für wahrscheinlich halte. Außerdem hat sie einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt. Was bedeutet das? Und wie geht es jetzt weiter?

Warum will das Landgericht Stuttgart den Prozess einstellen?

Das Landgericht Stuttgart will den Prozess gegen Michael Ballweg offenbar wegen Geringfügigkeit einstellen. Geregelt ist das in Paragraf 153 der Strafprozessordnung (StPo), der eine Einstellung von Verfahren ermöglicht, beispielsweise „we nn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre“. 

In einer Pressemitteilung schreibt das Landgericht, dass es „ die vorläufige Auffassung des Gerichts sei“, dass die Tatvorwürfe nach 26 Hauptverhandlungstagen bislang „nicht nachweisbar seien“.

Was wird Michael Ballweg überhaupt vorgeworfen? 

Michael Ballweg steht wegen des Verdachts des versuchten Betrugs vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft soll Ballweg rund eine halbe Million Euro, die er im Rahmen von „Querdenken 711“ von Unterstützern eingeworben habe, für private Zwecke genutzt haben. Zudem werden dem Querdenker versuchte und vollendete Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ballweg und seine Verteidiger weisen die Vorwürfe seit Beginn der Ermittlungen zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Das Landgericht teilte nun mit, dass im Verfahren bislang nicht geklärt werden konnte, was tatsächlich mit dem größeren Teil des Geldes passiert sei. „Der Nachweis einer privaten Verwendung könne hiernach voraussichtlich nicht geführt werden“, heißt es in der Mitteilung. Für einen Teil des Geldes „hätten sich Anhaltspunkte für eine Verwendung im Zusammenhang mit Querdenken ergeben“.

Prozess-Einstellung: Wie ist die Rechtslage?

Laut §153 StPo ist eine Einstellung des Verfahrens nur „mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten“ möglich. Sollte die Staatsanwaltschaft Stuttgart bei ihrer Linie bleiben, wird der Prozess daher weitergeführt wie bisher. Das bestätigte auch ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber unserer Redaktion.

Laut Landgericht Stuttgart ist damit weiterhin unklar, wie lange das Verfahren noch dauert. Weitere Zeugen müssten vernommen werden, die Aufklärung sei noch nicht abgeschlossen. Bislang sind 25 weitere Verhandlungstage bis Oktober angesetzt.

Warum hat die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gestellt?

Das Landgericht Stuttgart informierte am Montagabend, dass die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die zuständigen Richter im Ballweg-Prozess gestellt habe. Zu den Gründen machte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage zunächst keine Angaben. Im Laufe des Abends soll es dazu aber eine Pressemitteilung geben.

Und nun? Nach der Abgabe von dienstlichen Stellungnahmen der Richter werde innerhalb von zwei Wochen über den Befangenheitsantrag entscheiden, so das Landgericht. „Die Hauptverhandlung wird in der Zwischenzeit wie geplant fortgesetzt werden.“

Warum ist der Ballweg-Prozess in Stuttgart brisant?

Der Prozess gegen Michael Ballweg ist aus mehreren Gründen brisant: Michael Ballweg ist einer der führenden Köpfe der verschwörungsideologischen Querdenker-Bewegung, die während der Corona-Pandemie entstand. In der Szene kursierten früh verfassungsfeindliche Narrative und Gewaltfantasien. Menschen aus Politik, Wissenschaft und Medien wurden aus der Szene heraus bedroht und attackiert.

Ballwegs Organisation „Querdenken 711“ und ihre Ableger weisen laut Experten und Verfassungsschützern eine Nähe zur Reichsbürger-Szene und extrem rechten Akteuren auf. In Baden-Württemberg werden sie seit Ende 2020 vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Michael Ballweg selbst hatte in der Vergangenheit mehrfach Kontakte ins Reichsbürger-Milieu und zeigte sich an der Seite von Rechtsextremisten. Erst Ende 2024 trat er bei einer Veranstaltung des rechtsextremen Senders Auf1 in Österreich auf.

Neun Monate U-Haft: Ballwegs Anwälte sehen Justiz-Skandal

Auch wenn diese politische Dimension vor Gericht gar nicht verhandelt wird, beeinflusst sie die Wahrnehmung des Prozesses. Ballweg und seine Anwälte sprechen von einem politischen Prozess, auch Ballwegs Anhänger verbreiten dieses Narrativ. 

Dazu kommt, dass Michael Ballweg vor Anklageerhebung neun Monate in Untersuchungshaft saß. Nach Ansicht der Verteidigung sei das ungerechtfertigt gewesen, Ballwegs Anwälte sprachen in der Vergangenheit von einem Justiz-Skandal. Sollte es nicht zu einer Verurteilung kommen, wird die Frage nach der Rechtmäßigkeit der U-Haft erneut Thema werden. 

Landgericht wollte Ballweg-Prozess ursprünglich nicht eröffnen

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ist noch ein weiteres Detail interessant: Das Landgericht Stuttgart wollte die Anklage gegen Ballweg zunächst nicht zulassen. Erst über die Beschwerde beim Oberlandesgericht in Stuttgart erreichte die Staatsanwaltschaft eine Eröffnung des Verfahrens. 

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