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Unter Rechtsextremen: Heinrich Fiechtner trifft Identitären-Kopf Martin Sellner

heinrich fiechtner
Heinrich Fiechtner. © ZVW/Gabriel Habermann (Archiv)

Der ehemalige Landtagsabgeordnete und Ex-AfD-Politiker Heinrich Fiechtner aus Stuttgart hat sich mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner getroffen. Sellner gilt als Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung und ihrer Tarnorganisationen im deutschsprachigen Raum. Das Treffen fand offenbar im Identitären-Hausprojekt "Castell Aurora" in Steyregg bei Linz statt, wo Fiechtner als "impfkritischer Arzt" eingeladen war. Auch das rechtsextreme "Compact"-Magazin war vor Ort. Wie kam es dazu?

Fiechtner, Rechtsextremisten und Querdenker: Was bisher geschah

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Fiechtner offen mit Rechtsextremisten zeigt – selbst, wenn man Mitglieder seiner ehemaligen Partei, der rechtsextremen AfD, außen vor lässt. Im Mai 2021 wurde beispielsweise ein Song veröffentlicht, den Fiechtner zusammen mit Xavier Naidoo und Hannes Ostendorf, dem Sänger der rechtsextremistischen Band "Kategorie C", aufgenommen hatte.

Zu diesem Zeitpunkt war Fiechtner bereits eine feste Größe in der Querdenker-Szene und trat auch in der Folge noch in mehreren Bundesländern auf Szene-Demos auf. In Backnang spielte er im Juli 2023 auf die antisemitische Verschwörungserzählung vom "Morgenthau-Plan" an, die von den Nazis für Propagandazwecke genutzt wurde. Zwei Monate später verwendete er nach eigenen Angaben die Parole "Alles für Deutschland" auf der Feuerbacher Kirbe. Es handelt sich dabei um die verbotene Losung der Nazi-Organisation SA. Den Bezug zum Nationalsozialismus will Fiechtner nicht gekannt haben.

Martin Sellner: Der Attentäter von Christchurch und das Geheimtreffen in Potsdam

Gegenüber dem "Compact"-Magazin, das vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, hegt Fiechtner offenkundig schon länger Sympathien. Dasselbe gilt für Martin Sellner, dessen Beiträge Fiechtner in der Vergangenheit bereits auf Telegram teilte. Identitären-Kopf Sellner erlangte länderübergreifende Bekanntheit, weil er mit dem rechtsterroristischen Attentäter von Christchurch in Kontakt stand, bevor dieser in zwei Moscheen 51 Menschen tötete. Sellner hatte von ihm auch eine Spende erhalten.

In den letzten Monaten geriet Sellner in die Schlagzeilen, weil er bei dem von "Correctiv" aufgedeckten Geheimtreffen in Potsdam Ende November 2023 als Redner geladen war. Der österreichische Rechtsextremist soll dort seine Vorstellungen von der massenhaften Vertreibung von Menschen aus Deutschland nach völkischen Kriterien geschildert haben. Vorstellungen, über die er bereits in der Vergangenheit sprach, wie Videos belegen. In der Folge gab es ein juristisches Hin und Her über die Möglichkeit, Sellner ein Einreiseverbot nach Deutschland zu erteilen. Im März wurde eines ausgesprochen, aktuell ist es vorübergehend ausgesetzt, wie unter anderem der Spiegel berichtet.

"Castell Aurora": Eine "Festung" mit Regenbogen-Zebrastreifen

Nun trafen sich Fiechtner und Sellner beim "Castell Aurora" (Festung Morgenröte) in Steyregg bei Linz. Es handelt sich um eine Art Klubhaus der rechtsextremen Identitären und besteht seit 2020. In der Gemeinde gibt es immer wieder Protest gegen die Immobilie. 2021 wurde der Zebrastreifen vor dem Gebäude auf Beschluss des Bürgermeisters in Regenbogenfarben bemalt, um ein Zeichen gegen menschenfeindliche Ideologie zu setzen. Denn: Im "Castell Aurora" drücken sich Rechtsextremisten die Klinke in die Hand. Mehrfach waren auch AfD-Politiker dort zu Gast.

Heinrich Fiechtner: "Zustandekommen interner Treffen hat Sie nicht zu interessieren"

Wie kam es, dass nun Heinrich Fiechtner dorthin eingeladen wurde? Was hat er dort mit Martin Sellner besprochen? "Das Zustandekommen interner Treffen hat Sie nicht zu interessieren", schreibt Fiechtner auf Anfrage. Aus "Vieraugengesprächen" werde er nicht zitieren. Als Grund für seine Anwesenheit nennt Fiechtner das Einreiseverbot, das gegen Sellner ausgesprochen wurde und das er nicht nachvollziehen könne. Sellner sei "ein engagierter junger Mann", den er sehr schätze. Angesichts illegaler Grenzübertritte im Bereich der Migration fand er es nach eigenen Worten "spannend, einen Menschen kennenzulernen, dem die Grundrechte als 'EU-Bürger de facto entzogen wurden".

Fiechtner hatte bereits im Vorfeld mit Videos, Bildern und Texten auf Telegram auf sein Treffen mit Sellner aufmerksam gemacht. Am Sonntagabend (14.04.) veröffentlichte das rechtsextreme "Compact"-Magazin dann ein Youtube-Video. Man sieht Paul Klemm, selbst Identitären-Aktivist, der aus dem "Castell Aurora" berichtet. Klemm sitzt dabei teilweise selbst auf dem Podium, wähnt sich in einem Redebeitrag in einem totalitären Regime. "Und deswegen ist es umso wichtiger, dass auch wir weitermachen", sagt Heinrich Fiechtner. Und raunt, wie so oft, von der großen Verschwörung. "Überall setzen diese dämonisch-teuflischen Verdreher an und versuchen, ihr Zerstörungswerk voranzutreiben. [...] Sie werden versuchen, uns zu vernichten."

Sellner in Stuttgart verstecken: Gelächter im Publikum

Fiechtner sagt "wir" und "uns", während er mit Klemm, Sellner und weiteren Identitären in deren selbsternannter Festung sitzt. Unter Rechtsextremen fühlt sich Fiechtner offenbar als Teil der Gruppe. Als die Sprache auf das Einreiseverbot gegen Martin Sellner kommt, sagt Fiechtner, er würde jemanden im Kofferraum mitnehmen und bei sich zu Hause verstecken. Fiechtner und das Publikum lachen. "Ich habe leider keinen Dachboden", fügt er hinzu. Wieder lacht jemand.

Es gibt Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus Jüdinnen und Juden bei sich versteckten, um sie vor den Nazis, und damit dem Tod zu retten. Noch heute erinnert die internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an deren Engagement. Ein Versteck, das dabei nicht selten genutzt wurde: der Dachboden.

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