VfB Stuttgart

Frisch, spät, erfolgreich: Das erstaunliche Erfolgsrezept des VfB Stuttgart

Sebastian Hoeneß
Trainer Sebastian Hoeneß hält den VfB mit Mut zur Rotation, klaren Entscheidungen und einem erstaunlich belastbaren Kader auf Erfolgskurs. © Danny Schöckle

Stuttgart. Der VfB Stuttgart geht bislang mit erstaunlicher Leichtigkeit durch eine Saison, die längst ein Kraftakt ist. Während andere Teams über die Mehrfachbelastung stolpern, gewinnt Stuttgart nicht nur weiter – sondern gerne spät, knapp und abgeklärt. Was steckt hinter diesem ungewöhnlichen Saisonmuster? Viel Rotation, viel Mut, ein breiter Kader – und ein Trainer, der aus Belastung einen Wettbewerbsvorteil macht.

Die Stuttgarter Profis durften ein paar Tage durchschnaufen, bevor am Montagvormittag der Aufgalopp für die nächste strapaziöse Saison-Etappe begann: Trainingsauftakt vor dem Top-Spiel in Dortmund, dann folgt die nächste Phase mit drei englischen Wochen und acht Spielen. Die Ruhe vor dem Sturm also. Wobei „Ruhe“ relativ ist: 16 Feldspieler, drei Torhüter, minus Nationalelf, minus die verletzten Demirovic und Keitel – plus 30 Fans am Rand, die bestaunen durften, wie Co-Trainer David Krecidlo im Trainingsspiel eine Flanke schlägt, die jeder Außenverteidiger nehmen würde, und wie Assistenz-Coach Malik Fathi sie mustergültig einköpft. Selbst die Profis klatschten Beifall.

Es ist ein Moment, der zur allgemeinen Stimmung passt: Der VfB wirkt gut gelaunt, trotz eines Pensums, das normalerweise nur in Hochleistungs-Excel-Tabellen vorkommt. Sieben Spiele in 23 Tagen, fünf Siege, zwei Niederlagen, und das beruhigende Gefühl: Die Idee von Sebastian Hoeneß, den Kader permanent so lange zu rotieren, bis auch der letzte Profi weiß, wo die Eistonne steht, funktioniert.

Die Zwischenbilanz des VfB kann sich sehen lassen

Und jetzt also eine Länderspielpause, die diesen Namen ausnahmsweise verdient. „Da tut eine Pause mal gut“, sagte Stürmer Deniz Undav nach dem 3:2 gegen Augsburg. Und man glaubt es ihm. Die Mannschaft wirkt stabil – ja, sogar frisch –, trotz der Strapazen. „Man reist viel, trainiert, hat Besprechungen, ist viel zusammen“, sagt Hoeneß. „Das spürst du dann auch in der Birne.“ Das Bild ist treffend: ein Team, das wochenlang mental am Limit war und sich nun sechs trainingsfreie Tage gönnt, ehe der nächste Block beginnt.

Bis dahin darf der VfB auf seine Zwischenbilanz schauen, und die kann sich mehr als nur sehen lassen: Platz vier in der Bundesliga, Pokal-Achtelfinale, in der Europa League weiter alle Chancen auf die Playoffs, dazu fünf Siege aus fünf Heimspielen. Hoeneß, normalerweise ein Mann der gedämpften Erwartungen, sagt: „Wir sind aktuell sehr happy.“

Dass es so kam, hat sehr viel mit seinen Entscheidungen zu tun. Gegen Mainz rotierte Hoeneß zweimal fast komplett durch – zehn Neue in der Startelf –, was erst nach Feldversuch und gewisser Skepsis im Umfeld als gelungene Maßnahme anerkannt wurde. Am Ende jedoch wirkte der VfB: laufstark, wach, stabil.

Wohlgemuth: „Wir sind ein sehr gut funktionierender Haufen“

Einer, der davon profitiert, ist Chris Führich. Einst Stammkraft, jetzt einer, der von der Bank kommt – und genau dann wirkt, wenn der Gegner eigentlich genug vom Fußball hat. Die Impulse sind oft spielentscheidend. „Das ist sehr wichtig“, sagt Hoeneß, und gemeint ist: Der Kader funktioniert. Sportvorstand Fabian Wohlgemuth bringt es so auf den Punkt: „Wir sind ein sehr gut funktionierender Haufen.“ Gemeint ist auch: Die Mannschaft nimmt neue Ideen an.

Wer den VfB in dieser Saison schaut, erkennt zwei Gesetzmäßigkeiten: Sie gewinnen knapp. Und sie gewinnen spät. Sechs Siege mit einem Tor Unterschied. Fünf Siege durch Treffer nach der 75. Minute. Selbst in der Europa League bestätigte sich das Muster: Späte Tore gegen Feyenoord, erst El Khannouss, dann Undav. Hoeneß sagt: „Das zeichnet uns aus.“ Das Kuriose daran: Die Joker spielen gar keine so große Rolle. Nur ein Siegtreffer wurde von einem Einwechselspieler erzielt. Der Rest stammt aus der Startelf. Womit klar ist: Es liegt nicht nur am frischen Personal, sondern an der Gesamtkonstruktion. Rotation zwischen den Spielen, taktische Variabilität, mentale Resilienz – und eine Heimkulisse, die nach sieben Heimsiegen in Folge wohl auch einen Betonmischer nach vorne treiben würde.

Was jetzt kommt, ist neu: vier Auswärtsspiele in Serie – Dortmund, Deventer, Hamburg, Bochum. „Das hatte ich so auch noch nicht“, sagt Hoeneß. Es ist die Phase, in der man sehen wird, ob die Stuttgarter Stabilität auf fremdem Rasen genauso trägt wie daheim. Die Tabelle ist freundlich, aber weniger streng geprüft, als sie aussieht: Nur gegen Leipzig spielte der VfB bislang gegen ein Top-8-Team.

Der VfB gewinnt Spiele, wenn sie schon vorbei scheinen

Und doch: Die Punkte sind da, und sie wurden verdient. Wären all die späten Tore nicht gefallen, stünde der VfB acht Zähler schlechter da, irgendwo im Mittelfeld. Aber sie sind gefallen. Weil das Team glaubt, dass es diese Spiele ziehen kann. Weil es das mehrere Male getan hat. Für den Moment gilt: Kräfte sammeln. Und dann weiter durch diesen bemerkenswerten Herbst einer Mannschaft, die sich angewöhnt hat, Trends zu trotzen – und Spiele dann zu gewinnen, wenn sie eigentlich schon vorbei scheinen.

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