Jederzeit bereit zum Abheben: Wie der VfB Stuttgart die Restsaison angehen will
In der ersten Saisonphase hat der VfB Stuttgart mit seinem fußballbejahenden Einsatz die Bundesliga verblüfft. Am Sonntagabend (14.01.) gegen Borussia Mönchengladbach starten die Schwaben nun ins Pflichtspiel-Jahr 2024. Mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen. Aber auch mit Demut. Nach zuletzt zwei Herzschlagfinals im Abstiegskampf verliert in Bad Cannstatt niemand so schnell die Bodenhaftung. Bereit zum Abheben ist man trotzdem – vielleicht ja auch gerade deswegen.
Die bisherigen VfB-Auftritte waren überwiegend eine Wucht
Das Duell mit der Gladbacher Borussia bildet rein formal den Abschluss der Hinrunde. Und egal, wie dieser 17. Spieltag für den VfB auch enden sollte: Die erste Saisonhälfte ist dem Team von Sebastian Hoeneß mehr als nur gut gelungen. Das darf man ohne große Umschweife behaupten. Auf dem 3. Tabellenplatz wurde dieses Jahr überwintert, in den Vorjahren waren es die Ränge 15 (22/23) und 16 (21/22). Aktuell steht man bei 34 Punkten – ein Zähler mehr als in letzten beiden Spielzeiten nach 34 Spieltagen. Noch Fragen?
Eigentlich nicht. Die bisherigen Auftritte der Weiß-Roten waren überwiegend eine Wucht. Und haben bei den Fans längst eine lange nicht mehr gesehene Euphorie entfacht. Aus dieser Verbindung speist sich vor dem Liga-Restart das gute Gefühl und daraus resultierend auch eine erfrischende Portion Selbstvertrauen. Diesem neuen VfB kann so leicht keiner was.
Leverkusen, Bayern und Leipzig stehen in der Hierarchie weiter über dem württembergischen Fußballstolz, vermutlich auch der in dieser Woche mit Jadon Sancho und Ian Maatsen verstärkte BVB. Aber dann? Vor Frankfurt, Freiburg oder Hoffenheim muss sich Stuttgart keineswegs verstecken. Zu überzeugend war der VfB bislang schlichtweg. Die Positionierung auf einem Champions-League-Rang ist der Hoeneß-Elf nicht durch Spielglück oder einer Laune des Fußball-Gottes in den Schoß gefallen. Vielmehr hat das alles bis hierhin auch so seine Berechtigung.
Diese Sicht der Dinge vertritt Cheftrainer Hoeneß auch offensiv in der Öffentlichkeit: „Die Punkte, die wir geholt haben, haben wir zurecht geholt. Wir haben zwar nicht nur gute Spiele gemacht, aber schon die Vielzahl. Das ist ein Ausdruck von Stärke.“ Man habe über einen längeren Zeitraum gute Leistungen gezeigt und auch gute Resultate erzielt: „Aber davon können wir uns nichts kaufen. Am Ende sind es noch viereinhalb Monate“, so der Coach in der kurzen Winterpause.
Eine Winterpause ohne Abstiegssorgen hat unbestritten ihre Vorteile
Überheblich wird am Wasen niemand. Einen gewichtigen Teil zur realistischen Situationsanalyse trägt auch die jüngere Vergangenheit bei. Zu frisch sind die Erinnerungen an Last-Minute-Rettung und Relegation. Ein Großteil der Truppe stand dabei ja sogar auf dem Platz. Umso mehr genießen Spieler, Anhänger und Verantwortliche die aktuelle Situation. So eine Winterpause ohne Abstiegssorgen hat unbestritten ihre Vorteile. Und als positiver Nebeneffekt werden Themen abseits des Rasens wie der immer noch nicht finalisierte Porsche-Deal oder die seit Monaten andauernde Suche nach einem neuen Sportvorstand vom Großteil eigentlich nur achselzuckend zur Kenntnis genommen. Getreu dem Motto: Das wird schon werden, läuft ja auch so.
Die sportliche Situation und die Chance, nach den Jahren des Niedergangs wieder ins internationale Geschäft vorzustoßen, überstrahlt quasi alles. Zumal sich das Rennen um die europäischen Plätze von der Position des Überraschungsteams durchaus mit einem gewissen Vorteil angehen lässt. Denn wenn den neuen Hoeneß-VfB neben seiner fußballerischen Klasse eine Sache auszeichnet, ist es ein neuentdeckter Erfolgshunger. Diese Stuttgarter wollen (und können) was erreichen. Mit beiden Beinen fest am Boden, aber jederzeit bereit zum Abheben.
Zu spüren bekommen hat diese Entschlossenheit unlängst die SpVgg Greuther Fürth. Zum Abschluss der kurzen Wintervorbereitung wurde der Tabellenfünfte der 2. Liga vom VfB mit 6:1 abgeschossen. Hätte Hoeneß seine erste Elf über die gesamte Spielzeit zocken lassen, wäre es wohl zweistellig ausgegangen. Und ja, es war „nur“ ein Freundschaftsspiel gegen einen unterklassigen Gegner. Gier und Spielfreude der VfB-Profis waren dennoch beeindruckend.
Sebastian Hoeneß lässt seine Mannschaft weiter einen mutigen, dominanten Spielstil performen. Dazu hat er auf dem Platz eine klare Achse geformt bestehend aus Torhüter Nübel, Abwehrchef Anton, der Doppelsechs Karazor/Stiller und Sturmführer Guirassy. Da der 17-Tore-Mann dem Team in den ersten Partien aufgrund seiner Teilnahme am Afrika-Cup fehlen wird, rückt Deniz Undav in den Fokus. Der hat seine Eignung für die Position in der Sturmspitze längst unter Beweis gestellt, will sich darüber hinaus mit Blick auf die Heim-EM für Bundestrainer Julian Nagelsmann empfehlen.
Und da die Schwaben einen Ausnahmekönner wie Guirassy nicht eins-zu-eins ersetzen kann, soll die Aufgabe im Kollektiv gelöst werden. Viel Bewegung in der Offensive und viele Positionswechsel sollen die VfB-Angriffsreihe für die Gegner unberechenbar und nur schwer greifbar machen. Ob das klappt, wird sich erstmals am Wochenende im Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach zeigen.
Wohlgemuth und Wehrle basteln am Gerüst für die Zukunft
Derweil basteln Sportdirektor Fabian Wohlgemuth und Sportvorstand Alexander Wehrle fleißig am Gerüst für die Zukunft. Hilfreich dabei: Die Chefstrategen können den Spielern mittlerweile auch eine attraktive sportliche Perspektive aufzeigen. Das war in der jüngeren Vergangenheit nur mit viel Fantasie oder noch mehr Stuttgarter Hofbräu möglich.
Mittelfeldspieler Enzo Millot verlängerte seinen Vertrag am Freitag (12.01.) bis 2028 – die lange Laufzeit (wenn auch branchenüblich mit Ausstiegsklausen) darf getrost als kaderplanerischer Coup begriffen werden. Eine News mit Signalwirkung nach innen und nach außen. Schließlich könnten auch Kapitän Waldemar Anton und Flügelflitzer Chris Führich demnächst folgen, die Gespräche über neue Arbeitspapiere laufen bereits.
Auch Stammkeeper Alexander Nübel würde man gerne eine weitere Saison im Tor vor der Cannstatter Kurve stehen sehen. Die Stuttgarter Achse soll letztlich nicht nur eine Saison gemeinsam auf dem Platz stehen. Im Idealfall hat die Entwicklung der jungen Truppe ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Sondern geht gerade erst los.