Sand im VfB-Getriebe? Wie Sportvorstand Wohlgemuth die aktuelle Lage einschätzt
Stuttgart. Nur ein Sieg aus den letzten fünf Bundesliga-Spielen – eindeutig zu wenig für den ambitionierten VfB Stuttgart. Gerade der Chancenwucher beim 1:1 gegen Hoffenheim und die zuletzt dürftigen Heimauftritte gegen Gladbach (1:2) und Wolfsburg (1:2) schmerzen. Irgendwie ist gerade Sand im Getriebe. Aber warum? Im Jubiläums-Podcast unserer Redaktion hat der Stuttgarter Sportvorstand Fabian Wohlgemuth ausführlich zur aktuellen Lage am Wasen sowie zur Gesamtentwicklung des Traditionsvereins geäußert.
Die Spielzeit nach dem fulminanten Vizemeisterjahr droht zu einer Saison der verpassten Chancen zu werden. Fabian Wohlgemuth lässt sich davon jedoch nicht ernsthaft aus der Ruhe bringen. Qua Amt muss der Berliner die langen Linien im Blick haben. Und da wähnt der Sportchef den VfB weiter auf dem richtigen Weg. Im Lauf einer langen Saison sei völlig klar, „dass es auch Phasen gibt, in denen mal nicht alles glatt läuft, in denen es vielleicht auch Dellen nach unten gibt“.
Woran VfB-Trainerteam und Mannschaft jetzt arbeiten müssen
War in der Hinrunde die anfällige Abwehr das Hauptproblem, so hat sich jetzt in der Offensive eine Baustelle aufgetan. Ermedin Demirovic und Deniz Undav warten seit fünf Liga-Spielen auf einen Treffer. Die „offensive Leichtigkeit des Seins“, so beschrieb das unlängst Trainer Sebastian Hoeneß, sei gerade nicht da. „Das Trainerteam und die Mannschaft wissen, woran sie arbeiten müssen. Und das ist jetzt erstmal Effektivität“, sagt Fabian Wohlgemuth. Immerhin habe man in dieser Runde bereits 15 unterschiedliche Torschützen im Aufgebot – und damit nach Ansicht von Wohlgemuth den Abgang von Ausnahmestürmer Serhou Guirassy doch ganz passabel aufgefangen.
Wohlgemuth geht es in dieser Saisonphase auch ums Erwartungs-Management. Keine leichte Aufgabe nach Platz zwei in der Saison 23/24 und daraus resultierend Duellen mit Real Madrid und Juventus Turin. Da gerät schnell in Vergessenheit, dass der Klub vor gerade einmal zwei Jahren mit einem Bein in der 2. Liga stand. Ein organisches Wachstum sei das nicht gewesen, so Wohlgemuth. Eher ein kometenhafter Aufstieg – der jetzt nachhaltig unterfüttert werden muss. Weshalb der Sportchef gerne die Metapher vom schlafenden Riesen bemüht: „Ein Riese, der zum Giganten werden kann.“ Derzeit aber halt noch in der Aufwachphase ist. Und da kann man – wer kennt es nicht - gerne auch nochmal zurück in den Schlaf fallen.
„Die Erfahrungswerte der letzten zwei Jahre wirken lassen“
Abstiegskampf, Trainerwechsel, Relegation Vizemeisterschaft, Champions League: Der gesamte Verein habe in den vergangenen Monaten dermaßen viele Momente erlebt, „die andere Vereine vielleicht innerhalb eines Zehnjahresrhythmus haben. Das schweißt auch so ein Team zusammen und das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Nichtsdestotrotz müsse man sich den Vorwurf gefallen lassen, zu viele Punkte leichtfertig links liegen gelassen zu haben. „Aber wir bleiben ganz ruhig“, sagt Wohlgemuth, „eben auch deshalb, weil wir die Erfahrungswerte der letzten zwei Jahre in uns wirken lassen.“
Die sollen nun auch bei den nächsten Entwicklungsschritten helfen. Dabei können auch die acht Partie in der Königsklasse eine entscheidende Rolle einnehmen. Zwar war das Aus gegen PSG schmerzhaft und überaus deutlich, die Rückkehr auf die internationale Fußball-Bühne werten am Wasen dennoch alle als überaus gelungen. Was allerdings im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass sich daraus eine neue Selbstverständlichkeit ableiten lässt. Hier wirbt Wohlgemuth um Geduld: „Um an Bayern München, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund heranzurücken, wird es noch fünf bis zehn Jahre brauchen.“
Der Vorsprung der „ganz Großen“ auf den letztlich entscheidenden Ebenen – wirtschaftliche Schlagkraft, Kader-Qualität – sei noch zu groß. Während an anderen Standorten in den 2010er-Jahren ein stabiles Fundament gelegt worden ist, musste der VfB in dieser Phase gleich zweimal eine Runde in der Zweitklassigkeit drehen. Das hat vor allem mit Blick auf die Finanzen schmerzhafte Auswirkungen gehabt, die erst langsam abgebaut werden. Auch die Corona-Pandemie hat den Traditionsverein kräftig gebeutelt.
„In diesem Verein und in dieser Stadt sind alle Voraussetzungen geschaffen, um weiter zu wachsen“
Diese düsteren Zeiten liegen indes in der Vergangenheit. Wohlgemuth richtet den Blick ohnehin lieber aufs Hier und Jetzt sowie perspektivisch auf die Zukunft. Und hier ist er überaus optimistisch: „In diesem Verein und in dieser Stadt sind alle Voraussetzungen geschaffen, um weiter zu wachsen.“ Welche Rolle spielt da der erneute Einzug ins internationale Geschäft auch in diesem Jahr? „Wir haben wirtschaftlich sauber gearbeitet“, antwortet Wohlgemuth, „und selbst wenn wir im nächsten Jahr nicht international spielen würden, haben wir einen Kader, den wir uns leisten können, weil wir natürlich Verträge verhandelt haben, die dementsprechend auch angepasst werden“. Europa ist also „definitiv kein Muss“. Aber: „Es wäre natürlich attraktiv, weil die Spieler natürlich genauso mit dem Verein gewachsen sind wie alle Mitarbeiter und auch die Fans.“ Selbstredend habe man die Ambitionen, „oben ranzurücken und uns im vordersten Drittel irgendwie zu halten“, so Wohlgemuth, „aber - und das wird eben nicht mehr so oft erwähnt - es ist eben auch schön, dass wir Planungssicherheit fürs nächste Jahr in der Bundesliga haben“. Auch das war vor gar nicht allzu langer Zeit anders.
Hoeneß und die „heiße Spur“ nach Leipzig: Wohlgemuth bleibt entspannt
Dass die Schwaben eine weitgehend stabile Runde mit Aussicht auf ein erneutes Happy End spielen, liegt vor allem an der Arbeit von Cheftrainer Sebastian Hoeneß. Branchenüblich ist daher der X-Faktor der Stuttgarter längst ins Visier anderer Vereine geraten. Anfang der Woche berichteten der Kicker und die Bild von einer „heißen Spur“ zu RB Leipzig und dass der ehrgeizige Hoeneß auch in der nächsten Spielzeit Champions-League coachen möchte.
Derlei Gerüchte beschäftigen Fabian Wohlgemuth nicht allzu sehr. „Wir gucken uns in die Augen, sagen uns die Wahrheit und deswegen wissen wir, was wir voneinander halten und wie es in nächster Zeit weitergeht“, sagt Wohlgemuth. Dass man diesbezüglich „nie die ganz große Sicherheit“ haben könne, sei „völlig klar. Aber seine Arbeitsweise, die ich jeden Tag beobachten kann, spricht dafür, dass der VfB Stuttgart und Sebastian Hoeneß weiterhin eine sehr erfolgreiche Liaison sein können.“