VfB Stuttgart

Steiger vs. Allgaier: So lief das Duell der VfB-Bewerber im Kalaluna Schorndorf

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Kandidatenduell im Schorndorfer Kalaluna - von links: VfB-Reporter Danny Galm (Zeitungsverlag Waiblingen), Dietmar Allgaier, Pierre-Enric Steiger und Simeon Kramer, ebenfalls VfB-Experte beim ZVW. © Benjamin Buettner

Schorndorf. Dietmar Allgaier, 58, oder Pierre-Enric Steiger, 53 – wen wählen die Mitglieder zum Präsidenten am Samstag, 22. März? Zwei Kandidaten präsentierten ihre Vorstellungen am Donnerstag (13.03.) beim ZVW-Live-Podcast „Wir reden über den VfB“ im Schorndorfer Kalaluna. Einen dritten Bewerber gibt es auch noch, aber der bleibt ein Phantom.

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Scharfgestellt: Dietmar Allgaier. © Benjamin Buettner

Die Vorgeschichte: Claus Vogt und Wilfried Porth - wie beim VfB Stuttgart der Baum brannte

Erst vier Jahre ist es her: Bei der brodelnden VfB-Wahl im Jahr 2021 konnte man den Eindruck gewinnen, es gehe um die tiefsten Schicksalsfragen des Weltfußballs. Die Mitgliederversammlung wirkte wie der beispielhafte Schauplatz eines monumentalen Ringens: Kapital oder Kurve, Fans oder Geldgeber, Verein oder AG – wer hat das Sagen? Krieg der Sterne: Würde Claus Vogt, der Luke Skywalker im Kampf für das Gute, Wahre, Schöne, sich durchsetzen? Oder würde Daimler-Mann Wilfried Porth, der Darth Vader des AG-Imperiums, Vogt verhindern? Einen Gegenkandidaten gab es auch: Pierre-Enric Steiger saß zwischen allen Stühlen – er wollte keine Porth-Marionette sein und doch gegen Vogt anstinken.

Der gute Claus gewann, und in einem Hollywood-Film wäre dies das Happy End gewesen: Romantik schlägt Turbokapitalismus.

Hallo VfB, was ist da los? Alle neuerdings „konstruktiv“, alles plötzlich „sehr harmonisch“

Das wahre Leben aber geht nach dem Abspann einfach weiter. Vogt entzauberte sich selber gründlich, Porth ist nicht mehr im Aufsichtsrat – und wenn nun wieder gewählt wird, brennt diesmal nicht der Baum; es qualmt nicht mal irgendwo ein Büschel Petersilie.

Denn was ist passiert? Dietmar Allgaier, Landrat aus Ludwigsburg, hat nach Vogts Demission interimsweise übernommen, im August. Und in den etwa acht Monaten seither konnten Erdbebenforscher nicht mal mit den feinsten seismischen Messgeräten so was wie ein vereinspolitisches Untergrundrumoren identifizieren. Beim VfB, man fasst es nicht, herrscht Ruhe. Man kann Allgaier nicht mal vorwerfen, dass er sich als Vereinspräsident der AG unterworfen habe.

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Scharfgestellt: Pierre-Enric Steiger. © Benjamin Buettner

Hinter den Kulissen hat er leise, aber effektiv dafür gesorgt, dass der Aufsichtsrat ihn als Vorsitzenden akzeptiert. In dem Gremium gebe es keinen „Graben“, sagt Allgaier im Kalaluna, er erlebe alle Beteiligten als „konstruktiv“; und dass der VfB mit Porsche und Daimler „zwei namhafte Weltkonzerne“ an der Seite habe, sei doch gut.

Pierre-Enric Steiger greift an, Dietmar Allgaier moderiert weg

Seufz, da kann Steiger nicht widersprechen: Das seien „einfach starke Partner“, um die „uns viele andere Vereine beneiden“. Und ja, stimmt schon, es gehe mittlerweile „eigentlich sehr harmonisch“ zu.

Ansonsten versucht Steiger durchaus wacker, anzugreifen an diesem Abend: Hat der Präsident, als sich bei der Champions-League-Tour nach Belgrad die VfB-Fans an der Grenze „Menschenrechtsverletzungen“ ausgesetzt sahen, nicht „etwas zu ruhig“ agiert? Hätte er sich nicht laut empören müssen? Aber Allgaier moderiert den Vorwurf lässig weg: Das sei die „einzige Reise“ gewesen, bei der er nicht dabei war, deshalb habe er „entschieden, dass Alex Wehrle das Statement abgibt, denn er war vor Ort“.

Pierre-Enric Steiger kämpft mit Hochglanzbroschüre und rot-weißen Grüßen

Pierre-Enric Steiger gibt alles. Im Kalaluna hat er stapelweise eine 28-seitige Din-A4-Hochglanzbroschüre mit Vierfarbfotos ausgelegt: „Der VfB gehört uns allen! Positionspapier zum VfB Stuttgart 1893“. Steiger beschreibt darin seine „Vision“ und lässt echt nichts aus von „Fankultur“ bis „Inklusion“. Er will „den Verein weiterentwickeln“, vergisst dabei weder Faustball noch Hockey, prangert vorbildlich ausgewogen sowohl „Fan-“ als auch „Polizeigewalt“ an und schließt stilecht „mit sportlichen rot-weißen Grüßen“ – was will man mehr?

Allein, seine Ausgangslage bleibt schwierig. Soll er etwa künstlich Streit vom Zaun brechen? Das Menschenrecht auf Pyro einklagen? Die Systemumstellung auf Sechserkette fordern? In vielem weiß er sich doch einig mit Allgaier. Beide plädieren perspektivisch für zwölf Leute im Aufsichtsrat statt aktuell zehn – acht vom Verein, vier von den Geldgebern. Beide finden es überfällig, dass der VfB wie andere Traditionsclubs ein eigenes Museum bekommt. Beide wollen das Nachwuchsleistungszentrum weiterentwickeln.

Der dritte Bewerber: Um Jochen Haas ranken sich ratlose Fragen

Einen Kampf zwischen Gut und Böse könnte hier nicht mal ein Journalist mit gusseisernem Willen zur Zuspitzung herbeifabulieren. Weder Dietmar Allgaier noch Pierre-Enric Steiger ist ein Comedian oder Charismatiker, ein Volkstribun oder Populist – der eine wie der andere ist schlicht grundvernünftig.

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Und der dritte Bewerber? Jochen Haas, 56, hat nicht nur für den Kalaluna-Termin abgesagt, er macht sich seit Wochen dermaßen rar, dass an diesem Schorndorfer Abend die VfB-Insider einander ratlos fragen: Weißt du, wieso der sich überhaupt beworben hat, wenn er nirgends auftaucht? Der bezeichnet sich doch als „Privatier“ – müsste er da nicht eigentlich Zeit haben?

Pierre-Enric Steigers Wahlkampf-Joker: Die VfB-Aktie für Mitglieder

Einen knackigen Wahlkampfpunkt hat Pierre-Enric Steiger: 3,9 Prozent Anteile an der VfB-AG sind noch nicht vergeben – wie wäre es, sie als Aktien an die Mitglieder zu verkaufen? Dann könnten jene, bei denen, seit 2017 die AG ausgegliedert wurde, ein „Verlustgefühl“ gäre, sagen: „Mir gehört tatsächlich ein Stück dieses VfB!“ Problem: Die meisten der rund 120.000 Mitglieder sind in diesen Verein womöglich vor allem eingetreten, um leichter an Tickets zu kommen; und nicht mal die Ultras haben sich bislang mit Choreo und Sprechchören hinter den Aktienplan gestellt. Allgaier kann tiefenentspannt antworten: Das sei doch ein „sehr, sehr hoher administrativer Aufwand“, er sehe da „akut und aktuell“ keinen „Handlungsbedarf“.

Vor vier Jahren ging es um alles. Diesmal geht es um die Wahl zwischen einem, der es bislang ganz gut hinkriegt, einem, der es vielleicht auch ganz gut hinkriegen würde, und einem, den man nicht zu sehen kriegt. Es hat vereinspolitisch wahrhaftig schon aufwühlendere Zeiten gegeben beim VfB.

Nachhören und Nachschauen

  • Podcast : Den Mitschnitt des Abends können Sie als klassischen Podcast auf allen gängigen Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts und via zvw.de/podcasts nachhören.
  • Video : Das Video zur Veranstaltung gibt es auf dem ZVW-Youtube-Kanal.
  • Weiterhören : „Wir reden über den VfB“ ist der wöchentliche Fußball-Podcast aus dem Zeitungsverlag Waiblingen gemeinsam mit dem Radiosender DIE NEUE 107.7.
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