Vor dem DFB-Pokal-Halbfinale: Warum die Abwehr die Achillesferse des VfB bleibt
Stuttgart. Sechs sieglose Bundesliga-Spiele in Serie, Platz 16 in der Rückrundentabelle und die mit der Vertragsverlängerung von Trainer Sebastian Hoeneß erhoffte Aufbruchstimmung droht zu verfliegen: Nach dem 0:1 bei Eintracht Frankfurt setzt der VfB Stuttgart seine Hoffnungen auf eine Trendwende voll und ganz auf das anstehende DFB-Pokal-Halbfinale gegen RB Leipzig. Um den Traum von Europa am Leben zu erhalten, braucht es fast schon das Finale in Berlin. Und dafür endlich eine stabile Hintermannschaft.
Die Abwehr bleibt in dieser Saison die Achillesferse der Stuttgarter. 44 Gegentore nach 27 Spieltagen sind zwar keine Horrorbilanz, aber auch kein Ausweis europäischer Spitzenklasse. Zum Vergleich: In der Vizemeistersaison 2023/24 hatte der VfB in 34 Bundesliga-Spielen lediglich 39 Gegentreffer kassiert.
Die VfB-Abwehr ist kein Prunkstück: Das sind die Gründe
Dass der Defensivverbund in dieser Spielzeit kein Prunkstück ist, hat mehrere Gründe. Mit Hiroki Ito (zum FC Bayern) und Waldemar Anton (zum BVB) haben die Schwaben im Sommer zwei spiel- und zweikampfstarke Verteidiger verloren. Hinzu kommt der monatelange Ausfall von Dan-Axel Zagadou, der sich im September 2024 erneut schwer am Knie verletzt hat und in der laufenden Runde vermutlich kein Spiel mehr absolvieren wird.
Quasi vom ersten Spieltag an herrscht in der Abwehr ein ständiges Wechselspiel. Sperren, Verletzungen, taktische Erwägungen und Transfers haben jegliche Form von Konstanz verhindert. Und so geht es auch am nächsten Wochenende munter weiter: Ameen Al-Dakhil fehlt im kommenden Ligaspiel in Bochum rotgesperrt, ebenso Maximilian Mittelstädt aufgrund einer Gelbsperre.
Zusätzlich hat Anthony Rouault den Klub im Winter verlassen, Leonidas Stergiou fehlte zuletzt gesperrt, Josha Vagnoman rennt seiner Form hinterher und ist derzeit auch noch angeschlagen – ebenso wie Anrie Chase. Um das Problem zu verdeutlichen, hier ein Blick auf die letzten vier schwäbischen Abwehrreihen:
- Frankfurt – VfB (1:0): Mittelstädt, Chabot, Al-Dakhil, Jeltsch
- VfB – Leverkusen (3:4): Mittelstädt, Hendriks, Al-Dakhil, Jeltsch
- Kiel – VfB (2:2): Mittelstädt, Hendriks, Stiller, Stergiou
- VfB – Bayern (1:3): Mittelstädt, Chabot, Jeltsch, Vagnoman
Es bleibt ein großes Durcheinander – und gefühlt jede Woche eine neue Kette, die sich vor Torhüter Alexander Nübel zusammenfindet. Was direkt zum nächsten Problem führt: der Stuttgarter Nummer eins.
Auch Torhüter Nübel ist in dieser Saison zu selten ein großer Rückhalt
Auch Alexander Nübel kann mit seinen bisherigen Leistungen nicht an das Niveau der Vorsaison anknüpfen – wie viele VfB-Profis. Exemplarisch seien hier neben Nübel auch Atakan Karazor, Deniz Undav und Chris Führich genannt. Haben alle in der vergangenen Runde überperformt, und sehen wir jetzt ihren eigentlichen Leistungsstand? Das wäre sicher zu hart. Aber die Messlatte haben die Spieler selbst gelegt. „Uns fehlt die Cleverness und Abgezocktheit, die es in diesen Topspielen braucht. Da sind wir aktuell nicht auf unserem höchsten Level“, sagte Sebastian Hoeneß nach der Frankfurt-Pleite.
Gerade Keeper Nübel wäre aufgrund der Fluktuation in der Defensive als Fels in der Brandung gefordert. Ein solcher ist die Leihgabe des FC Bayern München aber nur noch selten. In Frankfurt zeigte der DFB-Torhüter ein für ihn in dieser Saison fast schon typisches Spiel: ungewohnt fehlerhaft im Aufbau und mitunter unsicher bei hohen Bällen. Kurz: Nübel ist nicht mehr der große Rückhalt, der er 23/24 war. Und damit ein gewichtiger Teil der Erklärung, warum die VfB-Abwehr in dieser Saison kein Bollwerk ist.
Eine fein austarierte Defensivleistung muss jedoch immer auch im Kontext der gesamten Mannschaft betrachtet werden. Daher fällt auch die Formschwäche von Kapitän Atakan Karazor erheblich ins Gewicht. War der Sechser im Vorjahr noch der robuste Wellenbrecher vor der Abwehr, der seinen Hinterleuten viel Druck abnahm, ist der 28-Jährige derzeit viel mit sich selbst beschäftigt. Passend dazu sein aktueller Notenschnitt im „Kicker“: 3,5. Keine Vollkatastrophe, aber eine Belobigung gibt es dafür auch nicht.
Alles in allem zu wenig für die eigenen Ziele. „Wir laufen unseren Ansprüchen hinterher“, sagte Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nach der Niederlage in Hessen. Trainer Sebastian Hoeneß sieht es genauso: „Über Champions League oder Ähnliches zu sprechen, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Es geht jetzt für uns darum, mal wieder ein Spiel zu gewinnen.“
Der VfB könnte erstmals seit 2013 wieder ins Pokalfinale einziehen
Ein Erfolgserlebnis soll nun am Mittwochabend (20.45 Uhr/ZDF) zu Hause gegen RB Leipzig her. Ein Sieg im DFB-Pokal-Halbfinale würde den VfB erstmals seit 2013 wieder ins Finale von Berlin bringen. Es wäre zudem der kürzeste Weg nach Europa, denn der Pokalsieger hat einen sicheren Startplatz in der Europa League. Dass die Stuttgarter das internationale Geschäft über die Liga erreichen, ist nach dem Negativlauf der letzten Wochen in weite Ferne gerückt.
Für einen Sieg gegen die ebenfalls kriselnden „Roten Bullen“, die nach dem Rauswurf von Marco Rose mit Interimstrainer Zsolt Löw in die MHP-Arena kommen werden, benötigt die Hoeneß-Elf jedoch eine deutliche Leistungssteigerung. Denn neben der Problemzone Defensive mangelte es dem VfB in Frankfurt auch an offensiver Durchschlagskraft.
Aber eins nach dem anderen. Im K.o.-Duell unter Flutlicht wäre mal wieder ein Zu-Null-Spiel schon ein Anfang. Zum Erreichen des Endspiels genügt unter diesen Umständen ein einziges, goldenes Tor.