Machtkampf beim VfB: Was wahre Fans über den Streit Porsche vs. Vogt denken
Auf der Fußballwolke mit der Rückennummer sieben schwebt das Team gen Europa – die Führung aber verstrickt sich grade wieder mal in einen bitterbösen Machtkampf: Beim ZVW-Live-Podcast „Wir reden über den VfB“ im Schorndorfer Kalaluna ging es vor 150 Gästen viel um Sport; und am Ende dann doch fast nur um Politik.
Fußball wie auf Schienen: Warum wir derzeit vom VfB schwärmen dürfen – eigentlich
Wir müssen mit dem Wort „eigentlich“ beginnen. Eigentlich ist, was sich derzeit abspielt, ein „kompletter Traum“, sagt Sebastian Rose vom Blog „Vertikalpass“: Der VfB beweist, dass ein Club, wenn er einen „Trainer mit Plan“ hat und „Spieler, die dazu passen“, keine „100 Millionen“ für Harry Kane braucht, um erfolgreich zu sein.
Eigentlich, sagt Daniel Haug vom Radiosender „Die neue 107,7“, kann man derzeit nur staunen, wie klar und schön der VfB spielt: „Fußball auf Schienen“.
Eigentlich, sagt ZVW-Redakteur Simeon Kramer, darf man auch für die weitere Zukunft so zuversichtlich sein angesichts der „vielen klugen Transfers“ von Sportdirektor Fabian Wohlgemuth.
Eigentlich ist das „unfassbar“ nach „all der Scheiße“, sagt Michael Bollenbacher vom SWR. Vor etwa einem Jahr war der VfB noch Tabellenletzter, und es gibt junge Fans, die in ihrem Leben bislang quasi „nur schlechte Zeiten mitgemacht“ haben.
Eigentlich, findet Rose, gibt es derzeit nur „Luxusprobleme“. Etwa eine „leichte Wohlstandsverwahrlosung“: Siege gegen Union Berlin empfindet der Fan als Selbstverständlichkeit und steht auch noch unterm „Zwang, wieder Länderspiele gucken zu müssen“ – zuletzt habe sich das wie „Katastrophentourismus“ angefühlt, aber jetzt sind vier VfB-Cracks im Kader.
Eigentlich, sagt ZVW-Reporter Danny Galm, „hätten wir so einen schönen Abend machen können“.
Der Machtkampf: Mal wieder Kapital gegen Kurve? Oder steckt mehr dahinter?
Wenn nicht der Aufsichtsrat der AG dem Präsidenten des e.V. den Vorsitz im Gremium entrissen hätte. Wenn nicht Vogt und der Vereinsbeirat mit der verklausulierten Androhung rechtlicher Schritte gekontert hätten. Wurde nicht den Mitgliedern einst versprochen, dass der Vereinspräsident immer auch Aufsichtsratschef sein wird?
Schurke gegen Held, Investor Porsche gegen Fan-Flüsterer Vogt, Kommerz gegen Fußballromantik, Kapital gegen Kurve, AG gegen e.V.: Das Klischee liegt so nahe. Aber ist es diesmal vielleicht doch etwas komplizierter? Ist womöglich doch etwas dran an den Vorwürfen, dass Vogt unprofessionell agiere, überfordert sei, Sitzungen schlecht leite, wichtige Entscheidungen vertrödle?
Ein Investor könne „ja alles fordern“, sagt Sebastian Rose: dass Vogt nicht mehr Aufsichtsratschef sein soll; oder dass die Roten künftig „in Blau auflaufen“. Aber der Verein habe dabei eben mitzureden – und „das verstehen Wirtschaftsbosse nicht“. Es stehe „Porsche nicht zu“, den Einfluss des Präsidentenamtes „zu beschneiden“. Das müsse die Mitgliederversammlung entscheiden „und niemand sonst“. Und wenn in der Satzung stünde, „Fritzle geht in den Aufsichtsrat, dann ist es halt so.“
Ist Claus Vogt der Aufgabe gewachsen? Oder hat Porsche vielleicht doch recht?
Ein Versprechen wurde gebrochen. Porsche, findet Haug, agiere nach dem Motto: „Das juckt uns nicht, wir spielen nach unseren Regeln.“ Die Neuen gingen über alte Zusagen „galant hinweg“, so sieht es auch Bollenbacher. Das ist das eine.
Das andere: Falls Vogt der Aufgabe wirklich nicht gewachsen sein sollte – wäre es dann im Sinne des Vereins, ihn zu halten?
Gut, dass dieser Live-Podcast im Kalaluna stattfindet. An Orten wie diesem kann man das Herz des VfB-Fans schlagen und seine Seele seufzen hören. Großbildschirme, Schals unter der Decke, an der Wand das legendäre Foto mit dem Wimpeltausch zwischen Diego Maradona und Guido Buchwald anno 1989 im Neckarstadion: Die Leute, die hierher kommen, sind echt. Keine Event-Jubler, die sich nur an den VfB ranwanzen, wenn’s gut läuft. Sondern Menschen, die auch im Elend treu gelitten haben mit ihrem Herzensclub. Nicht wenige sitzen hier in Retro-Trikots. Wo, wenn nicht hier, soll man ein Gespür dafür bekommen, wie die Basis derzeit wirklich denkt?
Inoffizielles Fan-Votum im Kalaluna: Keine Solidaritätskundgebung für Claus Vogt
Und siehe, bei den Fragen und Statements aus dem Publikum ist zu spüren: Vielen scheint der Porsche-Putsch nicht zu behagen – aber von einer brodelnden Solidaritätskundgebung für den Präsidenten kann auch keine Rede sein.
„Die erste Amtshandlung der Porsche AG“ nach dem Einstieg als Multimillionen-Investor war es, eine „Schlammschlacht auszulösen“, hadert Jürgen aus Urbach. Einem anderen stößt „dieses Fordernde von diesen Wirtschafts-Wichtigs“ auf – dabei sei der VfB „kein Konzern“. Solche Äußerungen gibt es; aber Ovationen branden danach nicht auf. Und zumindest aus einer Ecke der Kneipe gibt es bei Kritik an Vogt Applaus und einen „Genau!“-Zwischenruf.
Das vorherrschende Gefühl bei vielen scheint Ratlosigkeit zu sein. Konsti, seit acht Jahren Dauerkartenbesitzer, Wind-und-Wetter-Zeuge zweier Abstiege: „Ich kann tatsächlich beide Sichten verstehen.“
Was Waldemar Anton und Enzo Millot über Tanja Gönner, Claus Vogt und Lutz Meschke denken ...
Einigkeit indes herrscht in zwei Punkten. Erstens: Die Ultras werden das nicht einfach hinnehmen, „die haben den Kessel schon auf dem Feuer“, sagt einer. Zweitens: Auf die Leistungen in den letzten Saisonspielen werden sich die Führungsfehden nicht auswirken. Wer auch immer den Aufsichtsrat leitet – „Enzo Millot oder Waldemar Anton“, sagt Daniel Haug, „juckt’s null Komma null.“
VfB-Podcast live: Nachhören und zuschauen
- Den Mitschnitt des Abends können Sie als klassischen Podcast auf allen gängigen Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts und via zvw.de/podcasts nachhören.
- Das Video zur Veranstaltung gibt es auf dem ZVW-Youtube-Kanal.