Kommentar zur grandiosen VfB-Saison: Die größten Fehler passieren im Erfolg
Der 4:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach war der Schlussakkord einer grandiosen Spielzeit des VfB Stuttgart. Mit 73 Punkten haben die Schwaben eine Rekord-Saison gespielt, die Champions League und obendrein auch noch die Vizemeisterschaft erreicht - überragend! Spieler, Verantwortliche und Fans haben allen Grund zur Freude. Aber: Diese starke Spielzeit ist keine Garantie für eine ebenso erfolgreiche neue Saison. Denn: Die größten Fehler passieren bekanntlich im Erfolg. Ein Kommentar von VfB-Reporter Simeon Kramer.
Erfolgreicher VfB Stuttgart in der Champions League: Fluch oder Segen?
Es ist schwierig, noch Superlative für die VfB-Saison 2023/24 zu finden. Aus der Relegation in die Champions League, vom gebeutelten Abstiegskandidaten zur erfolgreichsten Mannschaft der Club-Historie inklusive Vizemeisterschaft. Dazu geht bei den Schwaben mit Chris Führich, Deniz Undav und Serhou Guirassy das treffsicherste Trio seit Bobic, Elber und Balakov auf Torejagd. Außerdem hat der VfB in einer Saison mehr Punkte geholt als in den beiden vorherigen Spielzeiten zusammen - und stellt obendrein fünf Nationalspieler für die EM. Es ist absurd.
Nach einer Traum-Saison mit Platz zwei, die gebührend gefeiert werden darf, stehen die Verantwortlichen im roten Clubhaus vor entscheidenden Weichenstellungen. Die Teilnahme an der Champions League bietet große Chancen, aber birgt auch große Risiken: Stichwort „CL-Falle“ wie in den Jahren nach der Meisterschaft 2007.
Der Kader muss für die Königsklasse erweitert werden, ohne zu viel Geld zu kosten. Leistungsträger müssen für den langfristigen sportlichen Erfolg gehalten werden, dafür müssen aber andere Leistungsträger gehen. Denn: Das Geld ist nach wie vor knapp. Eine herausfordernde Aufgabe.
Wehrle, Wohlgemuth und Hoeneß sind gefragt: Stellt sich langfristiger Erfolg ein?
Dazu kommt: Eine erneute Teilnahme am Europapokal im nächsten Jahr ist keine Garantie. Durch das neue CL-Format spielt die Hoeneß-Elf mindestens acht Gruppenspiele, die Doppel- oder gar Dreifachbelastung wird immens. Wie wirkt sich das auf die Performance in der Bundesliga aus? Bleibt der VfB auch in der neuen Saison so erfolgreich wie bisher? Die sportliche Entwicklung darf mit Spannung erwartet werden.
Die Verantwortlichen um CEO Alexander Wehrle, Sportdirektor (und bald Sportvorstand?) Fabian Wohlgemuth und Trainer Sebastian Hoeneß müssen nun die richtigen Entscheidungen treffen. Das Trio muss den Kader der Zukunft formen - mit einem Mix aus gestandenen und bezahlbaren Spielern, aber auch hungrigen Youngsters. Zudem muss der VfB finanziell stabiler werden, um nicht ständig Spieler verkaufen zu müssen. Die Grundvoraussetzung für all das ist aber: Es muss endlich Ruhe im Aufsichtsrat und in der Vereinspolitik einkehren.
Es wartet also ein Berg voll Arbeit auf die Entscheidungsträger in Bad Cannstatt. Die VfB-Fans können nur hoffen, dass im Sommer die richtigen Weichen für den langfristigen Erfolg gestellt werden. Und sich bis dahin an der grandiosen Saison und dem Moment erfreuen – denn wer weiß, was die weiß-rote Zukunft bringt.