Nach Pleite bei Hertha BSC: Dem VfB droht auch diese Saison ein Herzschlagfinale
Auf den VfB Stuttgart wartet auch in dieser Saison ein nervenaufreibender Schlussspurt in der Bundesliga. Rettung, Relegation, Abstieg? Drei Spieltage vor Schluss ist für die Amplituden-Mannschaft vom Wasen alles möglich. Eine Bestandsaufnahme nach der Niederlage bei Hertha BSC Berlin.
„Am Ende der Saison hast du die Punkte, die du verdient hast“
Pal Dardai scheint ein sehr angenehmer Zeitgenosse zu sein. Der Hertha-Trainer raucht abends gerne eine Zigarre und gönnt sich dabei eine Weinschorle. Der 47 Jahre alte Ungar passt zum Hauptstadtklub von 1892. Bodenständig, direkt und auf eine ganz eigene Art sympathisch. Und nach dem fast schon überlebenswichtigen 2:1-Sieg seiner Mannschaft gegen den VfB sagte er einen interessanten Satz. „Ob der Schiedsrichter oder das Wetter ein Spiel entscheidet, am Ende der Saison hast du die Punkte, die du verdient hast“, so Dardai, „und wenn man damit dann absteigt, hat man das verdient.“
Insofern steckt der VfB Stuttgart nach 31 Spieltagen alles andere als unverdient knietief im Abstiegskampf - zumal das Team auch im Vorjahr bis zur Nachspielzeit am 34. Spieltag um den Ligaverbleib zittern musste. Und in dieser Saison sogar der FC Schalke bislang mehr Spiele gewonnen hat (7) als der VfB (6).
Die Mannschaft kann was - wenn sie denn will
Dabei kann die Mannschaft was. Unbestritten. Wenn sie denn will. Das haben Sosa, Silas und Co. in den letzten Wochen nach dem Trainerwechsel von Bruno Labbadia zu Sebastian Hoeneß eindrucksvoll gezeigt.
Findet die Truppe die richtige Einstellung zum Spiel, stimmen Intensität und Schärfe, spielt sie bisweilen ganz wunderbaren Fußball. Viele Fans und Beobachter sagen immer wieder: Kicken können die! Doch auch bei den Siegen gegen Gladbach (2:1) und Bochum (3:2) sowie beim spektakulären 3:3 gegen den BVB benötigte es eine immense Kraftanstrengung, um zu punkten. Auf Dauer kann das eigentlich nicht gut gehen. Zu viel Energie, körperlich wie mental, ziehen Spiele wie zuletzt das DFB-Pokalhalbfinale gegen Eintracht Frankfurt (2:3). Und für das Dortmund-Remis gab’s bei aller Emotionalität halt nur einen Punkt.
Am Samstagnachmittag (06.05.) im Olympiastadion spielten die Stuttgarter jetzt erschreckend lethargisch und ideenlos. Sie wirkten phasenweise mit der Drucksituation überfordert. Wie schon häufiger in dieser und der letzten Saison.
„Uns hat die Überzeugung gefehlt“, beklagte Außenbahnspieler Borna Sosa: „Wir haben 70 Prozent Ballbesitz, machen daraus aber nichts, weil wir die Lücke nicht finden.“ Sein Trainer meinte mit Blick auf die ordentliche (aber keineswegs fehlerfreie) Berliner Defensive: „Um das zu knacken, brauchst du eine mentale Frische – die hatten wir nicht.“
Hat der VfB seine Kräfte im Endspurt falsch eingeteilt?
Es scheint fast so, als habe sich der VfB die Kräfte im Endspurt falsch eingeteilt. Immerhin: Noch stehen drei Runden aus. Chancenlos ist der VfB keineswegs. Selbst wenn er droht, das hart erarbeitete gute Gefühl aus den vergangenen Spielen zu verlieren.
Gezittert werden muss in Bad Cannstatt jedenfalls auch in diesem Jahr bis zum Schluss. Ein erneutes Herzschlagfinale am letzten Spieltag scheint angesichts der kuscheligen Lage im Tabellenkeller ein absolut realistisches Szenario. Beruhigungstropfen und Herztabletten sollten vom Stadion-Caterer mindestens für den 27. Mai vorsorglich ins Sortiment genommen werden. Womöglich folgen anschließend ja noch zwei Relegationsspiele.
Hoeneß muss seine Spieler nach dem herben Rückschlag in Berlin schnellstmöglich wieder aufrichten, bekommt dafür aber immerhin eine lange Trainingswoche. Erst am kommenden Sonntag (14.05.) kommt Bayer 04 Leverkusen in die Mercedes-Benz-Arena. Ein Zwischenspiel für die Werkself, die am Donnerstag vor und am Donnerstag nach dem Stuttgart-Duell im Europa-League-Halbfinale auf die AS Rom trifft. Ob darunter die mentale Frische der Leverkusener Angreifer leiden wird?
VfB auch gegen Leverkusen ohne Konstantinos Mavropanos
In erster Linie muss der VfB am kommenden Wochenende die viertbeste Offensive der Liga in den Griff bekommen - und das wie schon gegen Hertha ohne den leidenschaftlichen Verteidiger Konstantinos Mavropanos, der sich im Pokal gegen Frankfurt am Schienbein verletzt hat. „Die Lage bei Dinos ist unverändert“, sagt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. „Er wird jeden Tag behandelt. Ich denke aber, dass das Spiel gegen Leverkusen definitiv zu früh für ihn kommt.“ Immerhin wird Mittelfeldarbeiter Atakan Karazor nach abgesessener Gelbsperre wieder spielen dürfen.
Vor heimischem Publikum zeigten die Weiß-Roten zuletzt jedenfalls ihre stärksten Momente. Die ersten Halbzeiten gegen Gladbach und Frankfurt waren gut, keine Frage. Einen konzentrierten Auftritt über die komplette Spielzeit (inklusive der beiden Nachspielzeiten) werden die Fans allerdings vermutlich nicht mehr bejubeln dürfen. Der VfB wird auch in den verbleibenden Spiele eine Amplituden-Mannschaft blieben. Mit Ausschlägen nach oben, und nach unten. „Rückschläge gehören im Abstiegskampf eben dazu“, sagt Fabian Wohlgemuth.
Nach 31. Spieltagen und vier Trainern bleibt jedenfalls die Erkenntnis: Eine Team sollte gewisse Dinge und Situationen auch selbst lösen beziehungsweise überstehen können - unabhängig davon, wer gerade in an der Seitenlinie steht, im Sommer den Kader geplant hat oder gerade auf dem CEO- und Präsidenten-Stuhl sitzt. Zumindest in der Theorie sollte das so sein. Wie die Praxis aussieht, haben die Stuttgarter Profis am Samstag einmal mehr gezeigt.