VfB vor Super-Wahljahr: Harmonischer Dunkelroter Tisch - mit einer Ausnahme
Das Super-Wahljahr wirft seine Schatten voraus: Auf der ordentlichen Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart am 22. März 2025 wird die Führungsmannschaft des Traditionsvereins komplett neu aufgestellt. Präsident, Präsidium und Vereinsbeirat stehen zur Wahl, zuvor wird zudem der neu eingeführte Wahlausschuss erstmals seine Arbeit aufnehmen. Wie ist die Lage rund ein halbes Jahr vor der wegweisenden MV? Beim Dunkelroten Tisch im Business-Bereich der MHP-Arena gab es ein erstes harmonisches Stimmungsbild - mit einer Ausnahme.
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Wer sich an die letzte Info-Veranstaltung dieser Art im Cannstatter Kursaal erinnern kann, der dürfte sich am Dienstagabend (16.10.) verwundert die Augen gerieben haben. Im Juni ging es mitunter hoch her. Damals standen Präsident Claus Vogt und sein Vize Rainer Adrion auf der Bühne und teils massiv in der Kritik, die Situation war angespannt, es drohte schließlich der große Knall. Und so kam es dann ja auch. Auf der Mitgliederversammlung Ende Juli wurde Vogt krachend abgewählt, Adrion nahm nach einer verlorenen Vertrauensfrage freiwillig seinen Hut.
Warum Interimspräsident Dietmar Allgaier die richtige Wahl war
Es entstand ein vereinspolitisches Machtvakuum, das der Vereinsbeirat interimistisch – und wie sich nun im Nachhinein herausgestellt hat - klugerweise mit dem Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier gefüllt hat. Der CDU-Politiker hat den Verein mit seinen mittlerweile fast 120.000 Mitgliedern gemeinsam mit dem Präsidiumsmitglied Andreas Grupp mit bemerkenswerter Gelassenheit geführt. Es herrscht Ruhe.
Selbst die Rückgabe des Vorsitzes im Aufsichtsrat von Tanja Gönner an den e.V.-Präsidenten, dessen Verlust und der damit einhergehende Konflikt letztlich zum Sturz von Claus Vogt geführt hatte, ging komplett geräuschlos über die Bühne. Allgaier ist ein Politprofi mit viel Erfahrung in Gremienarbeit, auch die Rolle des überparteilichen Moderators ist ihm auf den Leib geschneidert. Und vor 250 Dunkelroten zielsicher Pointen setzen ist für den Kommunalpolitiker eine Fingerübung.
Das einzige Problem aus Sicht vieler VfB-Mitglieder: Für eine volle Amtszeit als Chef im roten Clubhaus steht der 58-Jährige nicht zur Verfügung. Schließlich weiß Allgaier selbst am besten, dass das überaus zeitintensive Ehrenamt am Wasen nicht verträglich ist mit seinen nicht minder zeitintensiven Verpflichtungen als Landrat. Weshalb er von Anfang an betont hat, nur für die Dauer eines Interregnums zur Verfügung zu stehen. Kurzzeitig bekomme man das organisiert, „aber über die Dauer von fünf Jahren kann ich beiden Aufgaben nicht gerecht werden“. Er habe hier auf seinen Kopf gehört. Der Bauch hätte schon Lust gehabt. „Es ist eine wunderbare Aufgabe.“
Und so steht der Traditionsverein von 1893 nun vor einer überaus wegweisenden MV. Neben dem Präsidenten müssen auch das Präsidium und der neunköpfige Vereinsbeirat neu gewählt werden. Die Weichen für die Zukunft werden gestellt. Zuständig für die Auswahl der Kandidaten wird dabei erstmals der Wahlausschuss sein. Ein Gremium, das die Mitglieder auf der vergangenen Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit (91,83 Prozent Zustimmung) aus der Taufe gehoben haben. Ziel war es, Zirkelbezüge bei der Postenvergaben zwischen Präsidium und Vereinsbeirat abzuschaffen. Nun muss sich dieses neue Gremium allerdings erst einmal sortieren. Und den Verein für das anstehende Super-Wahljahr rüsten. Stefan Biehl, der stellvertretende Vorsitzende des Wahlausschusses, will dafür mit seinen Kolleginnen und Kollegen die nächsten Wochen nutzen, „um in den Verein reinzuhören“. Auch mit Fan-Clubs und Ultras sucht man das Gespräch.
Wie der VfB-Wahlausschuss den Prozess der Kandidatenauswahl angehen will
Über allem steht dabei die Frage: Was muss ein Präsidentschaftsbewerber neben den satzungsgemäßen Vorgaben alles für Qualifikationen mitbringen? Gleiches gilt für Präsidium und Vereinsbeirat. Aus einem „breiten Meinungsbild“ sollen letztlich objektive und transparent kommunizierte Kriterien entstehen, die den Auswahlprozess nachvollziehbar und fair machen. Ein hehres Ziel – und eine immense Aufgabe. Nicht nur angesichts der zu erwartenden Fülle an Bewerbungen.
Parallel überlegt der Vereinsbeirat, ob die Vergütung für Präsidiumsmitglieder angehoben werden soll. Aktuell bekommt der Präsident 50.000 Euro, ein Präsidiumsmitglied 25.000 Euro. Im Branchenvergleich sei das unterdurchschnittlich, wie die Nachforschungen von Beiratschef Rainer Weninger ergeben haben: Im Schnitt bekomme der Präsident eines Bundesligisten rund 140.000 Euro. Das Thema soll bis Ende des Jahres ausdiskutiert sein. Letztlich kann der Vereinsbeirat eine solche Erhöhung beschließen. Die positive Finanzentwicklung des e.V. würde es jedenfalls hergeben. „Es geht darum“, so Weninger, „eine Summe bereit zu stellen, die marktüblich ist und ermöglicht, dass sich interessante Personen für ein solches Amt zur Verfügung stellen.“
Interessanter Nebenaspekt: Derzeit zahlt der VfB seinem Präsidenten keine Aufwandsentschädigung. Amtsinhaber Allgaier verzichtet freiwillig.
Aber zurück zum Prozedere der Kandidatenauswahl. Mögen die Auswahlkriterien noch unklar sein, so steht immerhin die Zeitschiene schon fest. Präsidiums bzw. Präsidentschaftskandidaten können ihre Unterlagen bis zum 23. Dezember einreichen. Die Frist für den Vereinsbeirat läuft am 22. Januar ab. Anschließend müssen die eingegangenen Bewerbungen gesichtet werden. Dem Gremium stehen Dutzende Gespräche ins Haus. Bis spätestens 14. Februar (Präsident und Präsidium) bzw. 28. Februar (Vereinsbeirat) soll der Kandidatenkreis feststehen. Auf der MV am 22. März wird dann gewählt.
Die Mitglieder müssen sich also einmal mehr auf eine XXL-Veranstaltung einstellen. Bis zu drei Präsidentschaftskandidaten können laut Satzung nominiert werden, dazu kommen noch die Kandidaten für Präsidium und Vereinsbeirat. Allein die Wahlvorgänge werden eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dazu kommen noch die Bewerbungsreden, die Allgemeine Aussprache und das „klassische Programm“. Den Tag der MV in der Hanns-Martin-Schleyerhalle sollten interessierte Mitglieder in jedem Fall komplett einplanen.
Hitzig wurde es lediglich, als Ex-Aufsichtsrat Wilfried Porth das Wort ergriff
Nach all den Informationen über die geplanten Abläufe und einem kurzen Auflockerungstalk mit Ex-Profi Christian Gentner, mittlerweile Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, gab es wie bei allen Dunkelroten Tischen noch die Möglichkeit, Frage zu stellen. Hier war es bezeichnend für die derzeitige Lage am Wasen, dass die ersten Wortbeiträge aus dem Plenum überhaupt keine Fragen waren. Sondern vielmehr Lob (!) für die aktuelle Führungscrew. Wann hat es das zuletzt bei diesem sonst meist überaus kritischen Austauschformat gegeben?
Kurz hitzig wurde es lediglich, als der ehemals mächtige Aufsichtsrat Wilfried Porth das Wort ergriff und es sich nicht verkneifen konnte, einen Seitenhieb auf seinen Intimus Claus Vogt abzufeuern: „Die Thematik rund um den Aufsichtsratsvorsitz wäre überhaupt nie hochgekommen, wenn wir einen Präsidenten gehabt hätten, der für das Amt qualifiziert gewesen wäre.“ Aus der Ecke der Ultras folgte umgehend der erwartbare Widerspruch. Kurz wehte ein Hauch der alten Konflikte durch den Raum, der jedoch umgehend vertrieben wurden. Denn: Auch hier bewies Interimspräsident Dietmar Allgaier das richtige Gespür für die Situation und gab mit bundespräsidialem Timbre den Brückenbauer zwischen Kapital und Kurve: „Wir haben eine supergeile Kurve, die beste letztlich von allen Clubs. Und wir haben etwas, wonach andere Bundesliga-Clubs lechzen würden: zwei große Unternehmen, die sich zu diesem Verein bekennen. Das alles eint uns doch. Ich glaube, uns muss nichts trennen.“
Und egal welche Kriterien der Wahlausschuss für das Präsidentenamt auch festlegen wird: Tipps von Dietmar Allgaier sollten sie einholen.
Diese VfB-Mitglieder bilden den Wahlausschuss:
- Oliver Schaal (Vorsitzender), Stefan Biehl (stellv. Vorsitzender), Sebastian Käpplinger, Martin Dietz, Britta Kotzuschkewitz, Heiko Hegele, Leopold Hössl, Oliver Fiechtner und Monica Wüllner.
- Die Ersatzkandidaten sind Timo Lienig, Angelika Brendle-Arndt und Sandra Hinzmann.




